Episode 188: Die fabelhafte Welt der Amélie – Eine märchenhafte Reise nach Paris
Amelie wohnt nicht in dieser Welt. Ihre Welt ist phantastisch und voller kleiner magischer Momente, die zu verschleiern versuchen, wie allein und zurückgezogen die junge und extrem schüchterne Amelie lebt.
Als sie eines Tages ein kleines Metallkästchen hinter den Fliesen ihres Bades entdeckt, das einem Vormieter gehört haben muss, beschließt sie, dass es Zeit ist, andere Menschen in ihr Leben zu lassen. Aber nach ihrem Tempo und Regeln. Am besten wissen die anderen gar nicht, dass sie in ihrem Leben ist. Sie macht den ehemaligen Besitzer des Kästchens ausfindig und legt es ihm in eine Telefonzelle, in die sie ihn hinein lockt. Und tatsächlich, der Mann ist gerührt und sein Leben verspricht eine positive Wendung zu nehmen. Amelie fühlt sich bestärkt und als ein zum verlieben exzentrischer und zum Glück gut aussehender Sammler sein Fotoalbum voller Fotofix-Automat-Bilder verliert, baut sie eine Schnitzeljagd zusammen, damit er zu ihr und damit wieder an sein Buch kommt. Und um die Zuschauer von der Liebe auf den ersten Blick zu überzeugen.
Plor, bist du überzeugt? Zweimal gesehen, kein Wort geredet und beim dritten mal romantische Küsse und Sex auch ohne Worte?
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 188: Die fabelhafte Welt der Amélie – Eine märchenhafte Reise nach Paris Publishing Date: 2024-08-07T08:35:51+02:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2024/08/07/episode-188-die-fabelhafte-welt-der-amelie-eine-maerchenhafte-reise-nach-paris/
Johannes Franke: Und es ist nicht das große Ding. Bei einem Hollywood-Film würde dann irgendein Verleger auf ihn aufmerksam werden und dann würde er die große Karriere machen. Aber nein, es geht ja um die kleinen Dinge. Es geht ja darum, jemandem ein bisschen einen besseren Tag zu verschaffen auch. Bonjour, Richard!
Florian Bayer: Bonjour, Madame et Monsieur! Herzlich willkommen zu einer neuen Episode vom Muss-Man-Sehen-Podcast.
Johannes Franke: Wo wir die französische Sprache einmal so richtig durch den Fleischwolf drehen werden.
Florian Bayer: Wir entschuldigen uns jetzt schon bei allen Französinnen und Franzosen. Wir geben unser Bestes, aber wir werden scheitern.
Johannes Franke: Wenn ihr nicht wisst, was wir hier machen. Wir sind zwei Dudes, die ständig über Filme reden und wir bestehen darauf. Und wir werden da auch... Weiterhin darauf bestehen, uns gegenseitig Filme zu geben, die wir vielleicht noch nicht kannten, wo wir aber denken, dass der andere den Film unbedingt sehen muss.
Florian Bayer: Dass er den Horizont des anderen erweitert, frei nach dem Motto Alter, den musst du sehen. Aber auch natürlich, dass die ein oder andere Filmempfehlung vielleicht euren Horizont erweitert.
Johannes Franke: Genau. Und das gilt auch andersrum. Ihr dürft unseren Horizont erweitern, indem ihr uns irgendwelche Filmempfehlungen gebt, wo ihr sagt, okay, das habe ich gesehen und die haben den immer noch nicht besprochen. Meine Güte, es wird Zeit.
Florian Bayer: Müsst ihr sehen, guckt ihn euch an. Und heute... sind wir mal wieder in einer Zeit unterwegs, in der wir sehr oft unterwegs sind, glaube ich, was einfach so ein bisschen mit unserem Alter zusammenhängt. Wir werfen uns gerne Filme aus der Zeit Ende der 90er, Anfang der 2000er vor, einfach weil wir damals halt so junge Erwachsene waren, also alte Jugendliche beziehungsweise junge Erwachsene und dementsprechend sehr stark in dieser Zeit für mich sozialisiert wurden.
Johannes Franke: Alte Jugendliche, was sind das für eine Bezeichnung?
Florian Bayer: Wenn du 17 bist, bist du ein alter Jugendlicher und wenn du 18 bist, bist du plötzlich ein junger Erwachsener, komm damit klar.
Johannes Franke: Okay, ja gut. Aber natürlich hast du recht, das ist die Zeit, in der wir quasi Filme lieben und auch genauer sezieren gelernt haben, oder? Wenn man sich Filme anschaut und denkt, wow, okay, das kann Film, irgendwie bin ich intrigued, vielleicht sollte ich auch in Filmen machen.
Florian Bayer: Und das ist einfach so ein Generationending, aus der Zeit kamen viele Filme, die unseren Horizont sehr erweitert haben. Und das nehmen wir einfach hier mit so ein bisschen rein. Und Johannes hat mir heute einen Film vorgeschlagen, den ich auch schon kannte, weil er eben auch aus dieser Zeit ist. Und zwar...
Johannes Franke: Die fabelhafte Welt der Amélie. Den französischen Titel darfst du gerne sagen.
Florian Bayer: Le Fabuleux d'Amelie Poulain.
Johannes Franke: Oh,
Florian Bayer: oder Amelie, wie er im Amerikanischen heißt.
Johannes Franke: D'Astor heißt doch eigentlich auch Schicksal, oder? Das Schicksal der Amelie? Ja,
Florian Bayer: I don't know, aber Destiny d'Astor, ja, vom Gefühl her würde ich sagen auf jeden Fall.
Johannes Franke: Ja, ich hab's nicht nachgeschaut, keine Ahnung, ihr dürft gerne jetzt stöhnen und sagen, um Gottes willen, ihr habt ja gar keine Ahnung. Aber ich find's süß, dieser Beigeschmack von Schicksal. passt irgendwie zum Film,
Florian Bayer: finde ich. Ein Film, den wir eigentlich schon länger auf der Liste hatten. Ich glaube, wir haben immer mal wieder gesagt, ach, den müssten wir eigentlich auch irgendwann mal machen. Weil es, also zumindest bei mir, schon ein bisschen länger her ist, dass ich den das letzte Mal gesehen hatte, jetzt wieder vor dem Podcast. Das heißt, es ist eine sehr lange Zeit vergangen nach meinem letzten Watch und diesem Rewatch. Und gleichzeitig ist es ein Film, den ich verdammt oft gesehen habe.
Johannes Franke: Ja, unglaublich oft. Ich habe den Film einmal zu oft gesehen zwischendurch. Und war dann so ein kleines bisschen gesättigt. Ich weiß nicht, ob du das vom Film kennst. Ich habe nie gedacht, dass das bei diesem Film passiert. Aber es ist passiert. Ich habe Karies bekommen von dem Film. Und dann habe ich eine längere Pause gehabt. Und jetzt habe ich ihn endlich wieder gesehen. Und ich war wieder hin und weg. Aber warum und wieso und ob das auch so geht, das werden wir gleich erfahren. Ich erzähle euch mal kurz, worum es geht. Für die Leute, die den lang nicht gesehen haben. Wenn ihr den Film noch nicht gesehen habt, dann macht jetzt aus und guckt euch erst den Film an, damit es sich lohnt, uns dabei zuzuhören, wie wir darüber reden. Also, Amelie wohnt nicht in dieser Welt. Ihre Welt ist fantastisch und voller kleiner magischer Momente, die zu verschleiern versuchen, wie allein und zurückgezogene Junge und extrem schüchterne Amelie lebt. Als sie eines Tages ein kleines Metallkästchen hinter den Fliesen ihres Bades entdeckt, das einem Vormieter gehört haben muss, beschließt sie, dass es an der Zeit ist, andere Menschen in ihr Leben zu lassen. Aber nach ihrem Tempo. Und ihren Regeln. Am besten wissen die anderen gar nicht, dass sie in ihrem Leben sind. Sie macht den ehemaligen Besitzer des Kästchens ausfindig und legt ihm es in eine Telefonzelle, in die sie ihn hineinlockt. Und tatsächlich, der Mann ist gerührt und sein Leben verspricht, eine positive Wendung zu nehmen. Amelie fühlt sich bestärkt und als ein zum Verlieben exzentrischer und zum Glück gut aussehender Sammler sein Fotoalbum voller Fotofix-Automatenbilder verliert. baut sie eine Schnitzeljagd zusammen, damit er zu ihr und damit wieder an sein Buch kommt. Und natürlich, um die Zuschauer von der Liebe auf den ersten Blick zu überzeugen. Floor, bist du überzeugt? Zweimal gesehen, keine Worte geredet. Und beim dritten Mal auch keine Worte geredet. Romantische Küsse und Sex.
Florian Bayer: Leute. Wenn ihr heute eingeschaltet habt, um uns so richtig doll streiten zu hören, was wir ja manchmal machen, seid ihr heute, glaube ich, falsch. Es ist ziemlich erschreckend, in welchem Gleichschritt wir diesen Film rezipiert haben. Bei mir geht es wirklich exakt so wie dir. Ich habe den Film geguckt, ich fand ihn fantastisch als junger Erwachsener. Ich habe ihn dann einmal zu oft geguckt, war voll übersättigt, habe Karies davon gekriegt. Ich habe ihn sehr lange nicht gesehen. Jetzt zum ersten Mal bestimmt seit einem Jahrzehnt wieder gesehen. Er hat mich komplett verzaubert wieder. hin und weg, von Anfang bis Ende. Und nein, ich bin nicht unbedingt ein Gläubiger, was die Liebe auf den ersten Blick betrifft. Und es ist nicht das Einzige, was an diesem Film unrealistisch ist. Scheiß drauf. Es ist so ein tolles Märchen und du forderst bei Dornröschen auch keinen Realismus ein und bei diesem Film solltest du auch keinen Realismus einfordern, weil er von Anfang bis zum Ende einfach nur magisch ist.
Johannes Franke: Nun sind wir ein Filmpodcast. Das heißt, wir kommen nicht drum rum, auch ein bisschen drin rum zu pflücken. Und ich habe das Gefühl, so ein paar kleine Punkte auch gefunden zu haben. Ja, aber ich habe gesucht. Ein paar kleine Punkte zu finden, wo ich sage, okay, wenn man das mit einem anderen Auge sieht, dann kann man da durchaus sagen, schwierig. Aber ich weiß nicht, ob wir das gleich am Anfang machen wollen oder ob wir uns erstmal in zuckersüße Sachen hineinbegeben wollen.
Florian Bayer: Ich würde mich gerne in zuckersüße Sachen... reinbegeben und eine Sache gleich vorweg sagen, die ist mir nämlich neu aufgefallen, zum ersten Mal oder beziehungsweise ich hatte es wahrscheinlich einfach so ein bisschen vergessen. Dieser Film hat ASMR gemacht, lange bevor ASMR immer. Was ist das für, also bei den Farben sowieso, aber auch was für ein tolles Spiel mit den Geräuschen.
Johannes Franke: Moment, Moment. Das ist jetzt wie meine Fingernägel über den
Florian Bayer: Mikro. Ja, ich glaube, das ist unangenehm.
Johannes Franke: Oh ja, okay, Entschuldigung.
Florian Bayer: Aber dieser Film steckt so voller kleiner Momente. In denen die Geräusche sehr prominent sind und du guckst denen und du bist die ganze Zeit so, ah, so dieses angenehm warme Gefühl. Und ich weiß nicht, ich glaube, ich bin für ASMR gar nicht so empfänglich. Also ich gucke mir nicht drei Stunden an, wie eine Katze am Kratzbaum kratzt.
Johannes Franke: Um Gottes Willen.
Florian Bayer: Aber diese Momente, die gezeigt werden, wenn die Milchschale der Katze auf dem Boden dieses Geräusch macht.
Johannes Franke: Das habe ich jetzt gerade im Kopf die ganze Zeit. Gerade dieses Geräusch. Wenn das Geräusch von dieser... Kugel, die runterfällt auf den Boden, bevor sie dann rüberrollt. Das ist so toll.
Florian Bayer: Es ist fantastisch, wenn Amelie die Steine wirft, wenn Amelie ihre Hand in die Nüsse taucht von dem rassistischen Arschloch.
Johannes Franke: Und jedem Kunden irgendeine Krankheit mitgebracht.
Florian Bayer: Es gibt so viele Momente, und Bild betrifft es auch, wo das einfach auch so ein wirklich... Einfach ein sinnliches Vergnügen ist dieser Film. Es ist richtig schön. Du guckst ihn und du fühlst dich einfach wohl anhand der Bilder und Geräusche, die dir da entgegengespült werden.
Johannes Franke: Ich finde es ganz schwer, das übereinander zu bringen mit Alien. Jean-Pierre Giméry hat vorher Alien gemacht. Und war nicht sehr erfolgreich damit. Ich glaube, die waren nicht so begeistert, die Leute von diesem Film.
Florian Bayer: Es ist auch meiner Meinung nach einer der schwächsten Alien-Filme lang. Danach hat Ridley Scott noch viel Schlimmere gemacht. Aber es ist der vierte Alien-Film und der war so sehr bizarr und sehr trüber. Das kann Jean-Pierre Genet sehr gut. Und Jean-Pierre Genet hat diese düstere Seite sehr ausgelebt, bevor er Amelie gemacht hat.
Johannes Franke: Delikatessen zum Beispiel.
Florian Bayer: Delikatessen und auch die Stadt der verlorenen Kinder. Und bei Amelie hat er es so punktuell noch drin. Es gibt so diese ein bisschen düstere Momente. Aber er nimmt halt dieses ganze Märchen-Set ab und baut das so drüber. Und dann dominiert halt auch einfach die Glücksemotion. Ich glaube, ich bin nicht ganz so leicht zu Tränen zu reizen von Filmen wie du.
Johannes Franke: Ja, ich bin da sehr nah am Wasser gebaut.
Florian Bayer: Diese Szene, der quasi der Start ihrer Karriere als stille Helferin. Wenn Dominic Prudotto dieses Kästchen öffnet.
Johannes Franke: Mit Toto oder Doto? Ich weiß es nicht mehr.
Florian Bayer: Ich weiß es auch nicht mehr. Toto, wie der Hund. Ich sitze da mit Tränen in den Augen. So eine schöne Szene. Dieser Moment der Nostalgie, die ihn überkommt, diese Welle des Glücks und gleichzeitig der Traurigkeit über den Verlust. Und der Film hat mehrere solcher Momente. Es ist einfach wirklich groß.
Johannes Franke: Es ist krass, weil auch das Gespräch danach, er findet das ja in dieser Telefonzelle. Ich habe es ja eingangs kurz erwähnt in dem Text. Sie findet dieses Kästchen und beschließt daraus zu finden, wer war das? Wem gehörte dieses Kästchen? Als Kind wahrscheinlich, weil das sind Kinderspielzeuge in der Kiste. Irgendwo. in dieser Wohnung versteckt hat, hinter den Fliesen. Und sie findet es raus in einer wundervollen Szene, wo der ältere Herr in die ganzen Blätter irgendwelche Löcher reingestanzt hat, weil er früher Karten gestanzt hat bei der Bahn.
Florian Bayer: Führ nicht auf ihn, er ist senil.
Johannes Franke: Und er von Anfang an sagt, übrigens, der heißt Prototo. Nee, ja, Prototo. Und sie muss dann das große Fass aufmachen und den Namen raussuchen, aus den großen Büchern, die sie geführt hat. Aber wie sie das Kästchen dann in dieser Telefonzelle hinterlässt und sich wirklich zurückzieht und nicht sagt, übrigens, ich habe dein Kästchen gefunden. Sie will keine Credits dafür oder sowas, sondern legt es da rein und hofft, dass das klappt. Und es klappt. Und dieses Gespräch danach... Was er der Bargesellschaft da aufdrängelt und sagt, meine Güte, ein Schutzengel heute. Ich weiß gar nicht, wie das kommt. Irgendwie rast das Leben an einem vorbei und plötzlich ist alles, was von dir übrig bleibt, in so einem kleinen Kästchen und erinnert dich. Und wenn du Pech hast, bist du bald selber in der Kiste. Und das ist so herzerwärmend, aber eben auch so traurig, weil er sein Leben offensichtlich nicht so hat leben können, wie er wollte. Er hat mit seiner Tochter ewig nicht gesprochen. Ja. Und jetzt geht ja das wieder an. Und allein dieser kleine Moment, dafür lohnt es sich, den ganzen Film zu gucken.
Florian Bayer: Wir können ja mal drauf schauen, weil für mich ist das immer so das Herz des Films. Nicht die Liebesgeschichte zwischen Amelie und Nino, sondern wem hilft sie? Für wen macht sie das Leben schöner oder auch mal schlimmer mit Psychotherapeutik?
Johannes Franke: Oh Gott, ja.
Florian Bayer: Und da haben wir genau Dominique Brutotot, so den ersten, wo sie es relativ, wo sie beschließt, jetzt mache ich das. Und dann als zweites haben wir ja den blinden Bettler, den sie einmal... Etwas übergriffig vielleicht?
Johannes Franke: Nicht nur vielleicht und nicht nur etwas. Wahnsinnig übergriffig. Im Rahmen der Geschichte mache ich das mal, sag ich mal, okay.
Florian Bayer: It's a fairy tale.
Johannes Franke: It's a fairy tale. Und dass der Blinde dann auch so strahlt vor Freude oder für Glück, dass mal jemand sagt, hier, guck mal, das ist das, das ist das. Aber dass sie einfach so losrennt. Bitte Leute, macht das nicht.
Florian Bayer: Auf keinen Fall.
Johannes Franke: Und wenn ihr das Gefühl habt, da steht ein Blinder und will über die Straße. Das ist eure Interpretation. Nicht einfach an den Arm nehmen und rüberziehen. Ich habe mit blinden Leuten geredet. Ich habe viel mit blinden Leuten geredet und die haben Geschichten erzählt. Wie einfach so Leute kommen und irgendwelchen Scheiß mit dir machen und dich über die Straße bringen und dann sagen, schönen Tag noch. Und du denkst dir, scheiße, wo bin ich jetzt? Ich weiß überhaupt nichts mehr. Gerade wusste ich noch, was los ist. Oh,
Florian Bayer: wie schrecklich.
Johannes Franke: Also das ist hart. Nicht machen, auf gar keinen Fall. Aber im Rahmen der Geschichte möchte ich das dem Film gerne geben. Ist in Ordnung. Das ist was Gutes, was sie tut. Okay.
Florian Bayer: Und das ist ja auch eher sowas Kleines. Und dann haben wir die Großen, denen sie hilft. Das ist zum einen ihrer Concierge, Madame Valas, die ihrem Mann hinterher trauert, der sie verlassen hat für eine andere Frau und die die Briefe aufgehoben hat. Sie ist offensichtlich Alkoholikerin und liest immer mal wieder in diesen Briefen.
Johannes Franke: Und jeder, der es nicht wissen will, gehört sich die Geschichte wahrscheinlich an. Also sie kommt ja da an und wird sofort überfallen. Übrigens, ich habe die und die Lebensgeschichte. Oh Gott.
Florian Bayer: Und was macht Amelie dann für sie?
Johannes Franke: Amelie holt sich die Briefe und baut einen neuen Brief draus, weil sie in der Zeitung gelesen hat, dass es einen Postsack gibt, der nach 30 Jahren oder sowas erst ausgeliefert wurde, weil das Flugzeug abgestürzt ist. Und dann sagt sie, ah okay, dann könnte da doch jetzt ein Brief drin gewesen sein für Madame Valas mit ihrem Mann, der mit der neuen Flamme... einfach abgehauen ist, dass es irgendeinen Brief gibt, der sie gnädig stimmt und ihr wieder Hoffnung für das Leben gibt.
Florian Bayer: Sie einfach wirklich glücklich macht. Glauben sie an Wunder, ne?
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Das ist ihre Reaktion darauf. Und wir kennen, ich glaube, man kann bei jedem Einzelnen, was Amelie macht, kann man so Punkte finden, wo man sagt, es ist übergriffig, es ist ins Leben von anderen Leuten eingemischt, es ist manipulativ.
Johannes Franke: Absolut.
Florian Bayer: Aber ich würde grundsätzlich und können wir gerne machen, aber ich mache als Rahmen da drumherum einmal stark, es ist ein Märchen und es ist nicht, wie die Welt funktioniert. Ja. Aber es ist wie ein Märchen funktioniert und deswegen ist das okay.
Johannes Franke: Ja, deswegen ist das okay. Aber das möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass es durchaus fragwürdig ist, ob das gut ist, ob diese Frau dann in dieser Illusion lebt, dass ihr Mann sie immer noch geliebt hat. Und ich weiß es nicht genau. Aber sie scheint ja nicht von ihm loszukommen. Also scheint es ja irgendeinen anderen Punkt geben zu müssen, wie man sie gnädig stimmt mit der Welt. Insofern, das ist jetzt die Lösung des Films. Was soll's?
Florian Bayer: Wir kommen ja auch noch tatsächlich, also der Film, thematisiert ja durchaus dann auch an ein, zwei Punkten, dass es vielleicht nicht unbedingt perfekt ist, was Amelie da macht. Ja. Und zwar, das können wir gleich als nächstes reinwerfen, nämlich die Verkupplung von Georgette und Joseph.
Johannes Franke: Oh Gott. Also, Nummer eins. Entweder ist Amelie wahnsinnig naiv, sie wird ja so erzählt auch irgendwie, aber auf eine Art und Weise naiv, weiß ich nicht ganz genau, ob das der Film wirklich erzählen will, weil das sie nicht versteht, Dass Joseph ein Schwerverbrecher quasi ist, der auf schlimmste Art und Weise Stalking betreibt, den man auf gar keinen Fall irgendeine Frau an den Hals wünschen würde. Also ich weiß nicht, ob sie einfach Georgette hasst und ihr sagt, okay, die haben einander verdient, die sind beide scheiße. Oder weiß ich nicht genau.
Florian Bayer: Also ich glaube, sie ist komplett naiv und ich finde es ganz spannend bei dieser Geschichte, dass ihre Verkupplung funktioniert und ist auch wirklich süß. Und ich glaube... Ich habe noch nie so eine Art der Verkupplung erlebt, glaube ich zumindest.
Johannes Franke: Ja, ich schon.
Florian Bayer: Ich glaube wirklich, dass das funktioniert. Ich auch. Ich finde es total plausibel. Ja, ja. Und gerade auch so die beiden einsamen Herzen. Man sieht ja, dass die beide sehr einsam sind. Der eine, weil er von seiner Ex-Freundin nicht loskommt. Die andere, weil sie leidet wegen ihrer Einsamkeit wahrscheinlich über Hypochondrie. Aber sie wirkt wie jemand, der auch sehr lange keinen Partner oder keine Partnerin hatte. Und dass das dann so simpel funktioniert, dass sie einfach sagt, dass sie ihm sagt, hey, pass auf, Lida, sie findet dich eigentlich schick. Solltest du dich vielleicht nicht anders verhalten? Und ihr dann auch sagt, hey, pass auf. Der mag eigentlich dich, der mag nicht die Ex-Freundin, die er die ganze Zeit nervt. Ich finde es total plausibel und ich finde es irgendwie cool. Und dann wird ja auch erstmal erzählt, dass ihr Leben wirklich besser wird. Ja. Sie haben hemmungslosen Sex auf der Kaffeetoilette.
Johannes Franke: Good for them.
Florian Bayer: Ihre Euprochontrie wird weniger, er schmachtet nicht mehr, beziehungsweise er nervt seine Ex-Freundin nicht mehr.
Johannes Franke: Und es gibt ganz tolle, süße Momente, wie er sagt, ich mag es, wie du errötest. Und sie sagt, ja, das liegt doch an meiner Dysphysiomie oder wie es heißt. Keine Ahnung, was sie da hat. Aber es ist so süß.
Florian Bayer: Und dann wird aber im Gegensatz zu anderen Geschichten, die wirklich ein Happy End haben, wird gezeigt, dass es genau dieselbe Scheiße passiert wie mit seiner Freundin. Nämlich, dass er irgendwann, dass seine Eifer sucht, ihn irgendwann übermannt und dass er zum Tyrannen wird.
Johannes Franke: Ja. Merp, merp. Also ich finde, das ist dem Film hoch anzurechnen, weil ich glaube, die große Kritik, die immer wieder kommt, nämlich dieses naive und dieses, ach so ist das Leben aber doch nicht und das ist ekelhaft, märchensüß und so. Jean-Pierre Jeunet scheut nicht davor zurück, die düsteren Seiten wirklich auch drin zu haben. Ja. Es geht auch um düstere Sachen. Den Selbstmord der, der, der eine Frau, die die Mutter umbringt, ne? Der, der, der Vater, der sie nie umarmt und so weiter. Bevor wir hier weitermachen, Plor. Möchtest du Tee? Ja, bitte.
Florian Bayer: Das düsterste von allen, der Goldfisch mit Depression, der Suizidat.
Johannes Franke: Oh mein Gott. Jean-Pierre Jeunet hat geschworen, dass er das selbst erlebt hat.
Florian Bayer: Wirklich?
Johannes Franke: Das ist das, was er erlebt hat.
Florian Bayer: I call it bullshit. Er hat diese düsteren... Ich habe mich tatsächlich gefragt, warum hat er bei diesen ganzen Geschichten, die er erzählt von Amelie, wo es immer eigentlich so diesen Hintergrund gibt, ja, es ist aber auch manipulativ und es ist irgendwie vielleicht nicht richtig. Warum hat er diese gewählt, um dann zu zeigen... Ja, es war vielleicht wirklich nicht richtig. Warum macht das bei dieser Geschichte so groß? Was denkst du?
Johannes Franke: Irgendeine muss es sein. Und ich glaube, die zwischenmenschliche Sache, sie kriegt ja ihr eigenes Leben nicht auf die Reihe. Ein bisschen Zucker. Ja, gerne. Zwei,
Florian Bayer: einen? Zwei, natürlich zwei.
Johannes Franke: Bei diesem Film kann man nur mindestens... Ich nehme bei drei. Das sind große Klunchen übrigens, nur dass ihr das wisst. Wo war ich vorher?
Florian Bayer: Bei Georgette, die ihr Leben nicht auf die Reihe kriegt.
Johannes Franke: Achso, Amelie kriegt ja selbst ihr Leben kaum auf die Reihe. Und ich glaube, dass sie von Liebe und so einfach auch nicht genug Erfahrung hat. Sie weiß das einfach nicht.
Florian Bayer: Es gibt diese eine Sexszene, die gezeigt wird. Das ist das Einzige, was gezeigt wird, dass sie offensichtlich mal irgendwas... Also sie hatte irgendwas. Affären, Beziehungen, was auch immer. Und da wird diese Sexszene gezeigt, wo der Mann über ihr liegt. In einer sehr unbequemen... Missionarsstellung und sie liegt sehr steif da, aber es wird Gott sei Dank, es wird nicht das Fass aufgemacht, dass sie sich dabei unwohl fühlt, sondern sie findet es albern. Also sie hat merkwürdige Grinsen dabei und denkt so, was macht der denn da?
Johannes Franke: Was ist das hier? Ich glaube, das mache ich erstmal eine ganze Weile nicht mehr.
Florian Bayer: Und das ist das Einzige, was so ein Hin darauf gibt, dass Amelie zumindest ein bisschen Erfahrung mit romantischen, sexuellen, zwischenmenschlichen Beziehungen hat.
Johannes Franke: Ich glaube, es wird tatsächlich gesagt, dass es dieses eine Mal oder vielleicht... Ein-, zweimal war. Ja,
Florian Bayer: genau. Und das war nichts für sie.
Johannes Franke: Wirklich ganz wenig und das ist nichts für sie war. Ich würde gerne später aber erst mal darüber reden, ob wir hier eine autistische Geschichte vor uns haben. Okay,
Florian Bayer: ja.
Johannes Franke: Was ich ganz interessant finde. Ich habe einen Podcast dazu gehört. Interessant. Interessant. Nur kurz, weil ich nicht betroffen bin und deswegen auch nicht wirklich gut die Perspektive rüberbringen kann. Aber ich finde es sehr interessant. Auf jeden Fall versucht sie es und sie hat es einmal versucht oder zweimal und dann heißt es halt, es ist nichts für mich. Ich versuche mich lieber um das Kuddelmuddel im Leben der anderen zu kümmern.
Florian Bayer: Aber immerhin denkt sie darüber nach, wie viele Menschen in der Stadt gerade einen Orgasmus haben könnten.
Johannes Franke: Also Sex kommt schon in ihrem Kopf vor. Finde ich auch wichtig, weil das einen Realitätsbezug bringt, der wichtig ist, glaube ich. Und auch ist nicht zu klinisch.
Florian Bayer: Und diese Thematisierung ihrer Naivität kommt ja auch vor. Also der Film erzählt es ganz radikal. Sie hatte keinen Kontakt zu anderen Kindern. Sie wird zu Hause erzogen. Ihre Eltern haben beide nähe Distanzprobleme. Und das macht ja in rasender Geschwindigkeit, wie er uns einmal zeigt. So war das Leben von Amélie Poulain, bis sie in diesem Café gelandet ist. So ein Zehminüter, der meiner Meinung nach wirklich zu den geilsten Erinnerungen für einen Film gehört. Alles auf der Bildebene, diese Geschwindigkeit und dann auch so dieses... Dieser Run durch das Leben von ihr.
Johannes Franke: Und da muss ich mal sagen, dass die deutsch-synchrone Version richtig gut ist.
Florian Bayer: Ja, ich hab beide geguckt. Wirklich toll. Ja, weil Disney Plus, was Disney Plus? Ein Streaming-Service hat den Film im Angebot. Disney Plus, glaube ich, hat... Hat die nur auf Deutsch?
Johannes Franke: Ja, ich habe ihn auf Deutsch auf Disney Plus gesehen.
Florian Bayer: Und dann habe ich gedacht, okay, ich will doch nochmal in die Originalversion reinhören. Ich finde die deutsche Synchro, vor allem von dem Erzähler, ist unglaublich gut getroffen. Wirklich sehr, sehr gut. Ich finde die Stimme sogar, aber es ist natürlich auch so historisch bedingt, weil das einfach die Stimme ist, die ich gewohnt bin. Ich finde sie besser als im Original. Ich finde sie passender von der Tonalität.
Johannes Franke: Und dann merkt man wahnsinnig viele. über 100 Leute angehört für diese Stimme.
Florian Bayer: I'm sorry.
Johannes Franke: Hat echt lang gebraucht.
Florian Bayer: Ja, genau, um das vielleicht gleich mal zu sagen, der Erzähler im Französischen ist André Dussolier, 1946 geboren, ein alter, klassischer französischer Schauspieler, der mit den Großen zusammengearbeitet hat, wie Trivet, Eric Rommé, Lodzaprol. Oh, ich liebe französische Namen. Ich könnte da drin versinken, aber ich kann sie nicht so schön aussprechen. Noch ein Plus für diesen Film, dass da die französischen Begriffe, die die ganze Zeit durch den Raum schweben, fantastisch klingen, einfach gut. Er hat mit den ganzen großen Regisseuren zusammengearbeitet, großer Schauspieler und der macht das auch richtig, richtig stark im Original. Das ist eine Stimme, die irgendwie so zwischen Märchenonkel, Ironie und sehr nüchternem, sachlichen Erzählen schwingt. Und im Deutschen habe ich das Gefühl, das Ironische ist ein bisschen stärker als im Französischen. Das gefällt mir an der deutschen Stimme.
Johannes Franke: Gefällt mir auch sehr, sehr gut, muss ich sagen. Ganz toll, auch ein gutes Timing, gute Texte, also ist schon...
Florian Bayer: Dann haben wir, also es ist einfach ein schöner Einstieg und es ist eigentlich, ist der Einstieg auch mit so das Düsterste an dem Film, weil es wird über ein Leben gerast, was total schrecklich ist, ne? Sie lebt da allein mit ihren Eltern.
Johannes Franke: Ja, und die Mutter stirbt dann irgendwann.
Florian Bayer: Der Vater fasst sie nicht an, also fasst sie nicht an im Sinne von, er nimmt sie nicht in den Arm.
Johannes Franke: Nicht genug in den Arm, genau. Und dann kriegt sie jedes Mal Herzrasen, wenn er denn sie anfasst, weil die Untersuchung fällig ist, weil er eigentlich Arzt ist. Und wenn man nur einmal im Monat Kontakt zum Vater hat, natürlich hat man Erhardsrasen. Ja,
Florian Bayer: das ist so traurig. Und dann gibt es diesen Fisch, der versucht sich umzubringen, deswegen wird er irgendwann entsorgt, also wird er in den Fluss geschickt. Dann gibt es wirklich traurige Szenen, wie der Fisch so aus dem Wasser hochkommt, am Ende guckt runter, es fängt an zu regnen.
Johannes Franke: Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Aber der Film macht das so gut mit so viel Timing und so viel Liebe und... Dein Fotoapparat! löst Unfälle aus. Und sie sitzt da mit großen Augen vor dem Fernseher und so, oh mein Gott, was für Unfälle habe ich heute verursacht. Oh mein Gott, was für eine geile Idee und was für eine tragische Geschichte.
Florian Bayer: Und da ist genau auch wieder ihre Naivität ganz klar zum Vorschein gekommen. Und dann aber diese tolle Racheaktion, wo schon gezeigt wird, sie ist verdammt kreativ.
Johannes Franke: Ja, und sie ist nicht nur kreativ, sondern sie hat auch tatsächlich so eine, dieses Rache-Gen zeigt sich ja auch später im Film. Volle Kanne.
Florian Bayer: Wollen wir auf die nächste Person eingehen, der sie hilft, beziehungsweise den sie bestraft, um einem anderen zu helfen. Nämlich findet sie es so richtig ätzend nachvollziehbar, wie der Händler am Gemüsestand, nämlich Collignon, mit seinem Gehilfen Lucien umgeht. Und ich glaube, das geht im Deutschen so ein bisschen verloren. Im Original ist diese Rassismusproblematik ein bisschen stärker betont. Weil der Lucien hat auf jeden Fall... Wurzeln, die nicht französisch sind. Also typisch wäre ja so von Algerien aus zu gehen. Und das wird im Deutschen wird einfach nur erzählt, dass er halt ein bisschen langsam ist und nicht so schnell und ein bisschen sonderlich dabei auch vielleicht. Und genau, auf jeden Fall Collignon nutzt das aus, um richtig ätzend auf dem rumzutrampeln. Marokkanische Herkunft ist der Schauspieler Jamel Dibous.
Johannes Franke: Ja, Jamel Dibous ist übrigens Komiker. Ich finde, das merkt man. Er hat so ein gutes Timing und er weiß genau, was er da macht und er hat tatsächlich glaube ich so ein, der rechte Arm des 1,56 Meter, Wikipedia, ich zitiere, der rechte Arm des 1,65 Meter großen Schauspielers ist seit einem Unfall im Jahr 1990 gelähmt. Ja, also gut eingebaut, funktioniert wunderbar und der hat ja auch eine gute Karriere gemacht, der hat bei Asterix und Obelix da noch mitgespielt und viele schöne französische Filme durfte er machen. Ja,
Florian Bayer: das ist auch so ein Gesicht, also ich freue mich immer, wenn ich ihn sehe,
Johannes Franke: wenn ich einen Film sehe.
Florian Bayer: Und genau, mit ihm macht sie nicht viel, sondern eben mit Collignon, der auf ihm rumtrampelt. Und zwar spielt sie im Streichen, lass mich korrigieren, sie ärgert, nein, sie macht Psychoterror.
Johannes Franke: Es ist Psychoterror.
Florian Bayer: Es ist richtig hart. Sie bricht in seine Wohnung ein, also sie bricht nicht ein, sondern er lässt irgendwann mal einen Schlüssel zufällig stecken, dann lässt sie sich den nachmachen. Bricht in seine Wohnung ein und macht so diese kleinen Dinge. die einen Menschen in den Wahnsinn treiben können. Türklinken innen austauschen. Die Schuhe austauschen durch etwas kleinere Schuhe.
Johannes Franke: Ich glaube, das gehört zu den fiesesten Sachen. Und die Telefonnummern auszutauschen in seinem Short Dial. Er will seine Mama anrufen und dann ist die psychiatrische Klinik am Apparat. Es ist wirklich hart. Oder wie sie... den Nagel in den Strom, ins Kabel steckt.
Florian Bayer: Sieht auch aus wie Glühbirnen. In jeder einzelnen Lampe macht sie eine Glühbirne, die so ein bisschen drüber ist und ordentlich... priert und summt und nicht mehr richtig Licht gibt.
Johannes Franke: Ja, das ist schon echt gemein. Und man sitzt da und denkt sich, habe ich irgendwas träumig? Irgendwas stimmt nicht, irgendwas ist falsch. Und man ist eine Stunde zu früh aufgestanden oder zwei. Ich weiß nicht genau, wie viel. Genau,
Florian Bayer: die Wecker stellt sie um, ja.
Johannes Franke: Und das sind aber so kleine Sachen, dass man jedes einzelne irgendwie süß finden kann. Aber auf die Masse gesehen ist es schon wirklich... sehr ganzwertig hat.
Florian Bayer: Sie macht ihn richtig fertig damit. Also wir sehen, dass dann ja auch das Collignon am Ende ein psychisches Frack ist. Zwei Einbrüche gibt es und sie hilft damit Lucien zumindest in dem Sinne, dass das Collignon einfach nicht mehr arbeiten kann. Er nur noch da rumliegt und schläft.
Johannes Franke: Und Lucien kriegt das volle Kanne hin. Er wird vorher total zur Sau gemacht, dass er nichts auf die Reihe kriegt. Und dann wegen der ganzen Terrorsache ist Collignon so passed out, dass er einfach liegt und schläft und nicht mehr kann. Und Lucien kriegt es einfach hin. Der bedient alle Leute ordentlich, macht ein schönes Pläuschen mit denen und alles ist gut.
Florian Bayer: Und Lucien wird auch bei einer anderen Figur nochmal eine Rolle spielen, die ich ganz interessant finde. Auch wie sie dieser Figur hilft. Auch in Anführungszeichen, weil das ist tatsächlich so die Hilfeaktion, die am abstraktesten ist, die am schwersten zu greifen ist. Nämlich dem Maler, der unter ihr lebt, Raymond Dufayel, der auch der Glasknochenmann genannt wird, weil er unter jener Krankheit leidet. Kennst du den richtigen Begriff?
Johannes Franke: Nein. Hab ich nicht da.
Florian Bayer: Er hat die Krankheit, die dazu führt, dass seine Knochen sehr leicht brechen. Und deswegen hat er alles Mögliche ausgepolstert in seiner Wohnung. Hat auch offensichtlich immer kleinere Verletzungen. Und er sitzt nur zu Hause und malt immer wieder das ein und selbe Bild.
Johannes Franke: Osteogenesis Imperfecta heißt das Ding anscheinend.
Florian Bayer: Und er malt seit ewigen Zeiten jedes Jahr einmal das Frühstück der Ruderer.
Johannes Franke: Von Renoir.
Florian Bayer: Renoir. wie er das zu ihr sagt, von Renoir.
Johannes Franke: Es ist so süß, weil, also das ist eine Schauspielerentscheidung. Das finde ich so wundervoll. Die stehen da beide davor. Er sagt, guck mal, ich mach das Frühstück der Ruderer. Sie guckt sich das Bild an. Kein einziges Deut an Erkennung oder sowas. Sie steht da völlig oblivious und er sagt, von Renoir.
Florian Bayer: Natürlich, der Renoir. Wir kommen gleich noch zu dem Bild zu sprechen. Aber einmal kurz, also er ist zurückgezogen. Er lebt in dieser Wohnung, die ausgepolstert ist, geht nicht mehr raus. Er mag auch keine Menschen. Er trifft die einzigen sozialen Kontakte, die er hat. Das sind Lucien, der ihm sein Essen bringt. Und Amelie dann plötzlich, weil sie durch Zufall irgendwie halt, weil er ihr hilft, Brito totzufinden. Und Amelie hilft ihm, indem sie ihm Videokassetten sendet von Filmaufnahmen.
Johannes Franke: Ich finde das total sweet, dieser Zusammenschnitt. Und ich finde den nicht nur total sweet, weil ihn Amélie macht, sondern ich finde ihn total sweet, weil Jean-Pierre Jeunet den macht. Ich finde, dort sieht man volle Kanne die Liebe für den Menschen von Jean-Pierre Jeunet. Es ist unglaublich, was der zusammengesammelt hat. Ich habe mir den DVD-Kommentar von ihm angehört und es spricht so viel Liebe aus ihm. Er hat so viel Spaß daran, es ist so toll.
Florian Bayer: Hilf mir kurz auf dich zu bringen, er hat dieses Bild von dem Pferd, das die Tour de France stört.
Johannes Franke: Genau, und dass da wirklich, es gab dieses Pferd. Es ist nicht extra dafür gedreht worden oder sowas, sondern es ist ein extra Ausschnitt aus der Tour de France 1990 oder sowas, wo dieses Pferd abhandengekommen ist, einfach irgendwo ausgebrochen ist und dann da lang rennt. Ja. Und es gibt auch ganz viel, die ganzen anderen Ausschnitte sind auch alle nicht extra gedreht, sondern das sind halt Sachen, die er irgendwo gefunden hat.
Florian Bayer: Wie aus amerikanischen Filmen, ne? So tanzende Leute, also ein tanzender Cowboy mit Holzbein.
Johannes Franke: Genau, genau, ja.
Florian Bayer: Und dann irgendwie so ein...
Johannes Franke: So eine Gospelsängerin. Ja. Genau. Aber ganz tolle Sachen auch. Also einfach Sachen, die das Leben feiern.
Florian Bayer: Ja, genau. Das wäre nämlich jetzt meine Frage. Was bewirkt sie damit? Was will sie da? Weil ich habe es nicht so 100 Prozent gegriffen gekriegt. Meinst du, es ist einfach das, ihm zu zeigen, hey, guck mal, das Leben ist schön?
Johannes Franke: Also ich glaube, der oberflächliche Gedanke ist, ich bringe etwas von der Welt da draußen in dein Zuhause, weil du kannst nicht raus. Und was es mit ihm macht, ist, glaube ich... Irgendwo dazwischen, zwischen dem, was sie gerne möchte, nämlich dieses Oberflächliche, ich bring ein bisschen Leben rein und diesem sehr wehmütigen, was ihn dazu bringt, sie mehr zu schubsen. Weil er merkt, ja, also ich kann das alles nicht mehr erleben. Ich bin hier mehr oder weniger gefangen, aber du kannst, also raus da, mach gefälligst.
Florian Bayer: Es erzeugt ja bei ihm vor allem erstmal so Ratlosigkeit.
Johannes Franke: Ein bisschen, ja.
Florian Bayer: Und wir erleben dann ja auch, wie sein Alltag aussieht und es gibt diese wirklich, wirklich süße Beziehung von ihm. mit Lucien. Und zwar kommt Lucien, um malen zu üben. Und Lucien baut dann seine Staffelei, nehmt der Staffelei von ihm auf.
Johannes Franke: Und er malt voll gut.
Florian Bayer: Und er malt voll gut, aber er malt die Farben falsch übereinander. Er hat das Konzept des Impressionismus nicht verstanden. Was Dufayel lässt ihn das auch wissen. Also dass er das eigentlich mittlerweile wissen sollte. Und Dufayel hat auch die Tendenz, also das merkt man ja schon, dass der so ein bisschen jähzornig ist, was bittert. Der hat dann die Tendenz, das auch rauszulassen. als er einmal Lucien ganz schön zur Sau macht und ganz schön anschreit, einfach weil Lucien mit ihm reden will und über Lady Di reden will. Und dann gibt es ja auch den Moment, er fühlt sich offensichtlich schon ein bisschen berufen, Lehrer für Lucien zu sein, um beizubringen, Begriffe richtig auszusprechen.
Johannes Franke: Es gibt mit Lucien einen Haufen Szenen, die massiv improvisiert sind. Jean Péginé ist kein Typ für improvisierte Filme, überhaupt nicht. Der will alles unter Kontrolle haben, bis zum kleinsten Detail. Im DVD-Kommentar hat er gesagt, ich hab drauf geschissen, Jamal macht das großartig. Der wusste einfach, die haben da einfach Zeug gemacht und das war superschön. Und gerade dieses Collignon, Champignon und diese ganze Verarsche von diesem Namen, die sie dann betreiben. Es ist improvisiert und es ist wundervoll.
Florian Bayer: Es ist total süß.
Johannes Franke: Und auch das mit Lady Di ist improvisiert. Ah. Weil Lady Di in diesem Drehbuch hier eine Rolle spielt. worauf wir auch noch zu sprechen kommen können, warum es Lady Di ist. Und hat dann eben das mit diesem, die schießen die hoch in die Sterne. Machen sie das mit Lady Di denn auch? Ist das cool oder nicht cool? Und er dann zur Sau gemacht wird von Dufayel. Und dann schreit er ihm nochmal hinterher, dieses, dieses, ich finde es so super.
Florian Bayer: Ich finde diese Szenen so schön, weil es so die großen menschlichen Szenen zwischen zwei Figuren sind, die nicht Amelie sind. Weil es gibt diese Beziehung zwischen ihnen, es ist auch so süß, wenn Lucien den Magier macht und die Sachen für ihn gekauft hat. Man ist unter dem Waschmittel, ist der Champagner und der Kaviar ist versteckt in der Artichoke. Es ist total süß, wie die beiden sich miteinander verhalten. Und ich finde diese Dynamik einfach cool. Auf der einen Seite dieser verbitterte alte Mann, der sehr gebildet ist anscheinend. Und auf der anderen Seite dieser junge Lucien, der relativ wenig weiß vom Leben. Und der aber... auch so in diese Welt reinschnuppern will und wie sie sich da irgendwie zusammenfinden. Und am Schluss malt Dufayel sein Renoir-Bild, wie Lysiel es gemalt hätte.
Johannes Franke: Das ist so toll. Ich finde, diese Entwicklung, und die ist nur klein erzählt, aber die ist so toll. Amélie hat bestimmt nicht diese Veränderung so arg beabsichtigt. Sie wusste nicht ganz genau, was sie in ihm ändern will oder nicht oder was. Sie hatte diese kleine Idee, ihm diese Dinge, ein Mixtape zu machen.
Florian Bayer: Ein Mixtape, ja genau, Mixtape, das ist ein schöner Begriff dafür.
Johannes Franke: Und was das bringt, was das bedeutet für ihn und was Lucia für ihn bedeutet und so weiter. Diese ganzen Entwicklungen werden alle irgendwie miterzählt und ganz am Rande, aber total süß und mit so viel Liebe.
Florian Bayer: Ja, und dann haben wir ja dieses, was sehr zentral ist für den Film, dass er dieses Bild malt, das Frühstück der Ruderer, wo er... Wo er diese eine Frau auf dem Bild hat.
Johannes Franke: Das Mädchen mit dem Wasserglas.
Florian Bayer: Das Mädchen mit dem Wasserglas. Angélie Lichaud. Um das einmal reinzuwerfen. Es gab zu diesem Bild eine lange Recherche. Viele, viele, viele KunsthistorikerInnen haben sich damit beschäftigt. Wen hat Renoir da gemalt?
Johannes Franke: Oh, Plour erzählt wieder von früher.
Florian Bayer: Nein, das ist zu viel. Weil die Antwort ist viel zu banal, als dass man die groß ausufern lassen könnte. Das sind nämlich einfach die ganzen Leute aus diesem Künstler... Milieu, mit denen er rumgehangen hat. Es ist wirklich, es ist deprimierend trivial. Es sind einfach, es sind Künstlerinnen, Schauspielerinnen, es sind Musiker, Maler, es sind einfach, es ist einfach so ein bisschen die Avantgarde des ausgehenden 19. Jahrhunderts. 1880 ist das Bild ungefähr entstanden. Und die Frau mit dem Glas, die Fajel komplett überinterpretiert, ist einfach eine Schauspielerin, die... Genau, die halt einfach zur Gesellschaft dazugehört. Ich glaube auch, diese Überinterpretation, sie ist jeder außerhalb, ist total drüber.
Johannes Franke: Natürlich. Es geht ja auch, ich glaube auch, dass er das ja nicht wirklich in das Bild reininterpretiert. Ja. Er zieht sie ja bloß da raus, um über Amelie reden zu können.
Florian Bayer: Aber es wird gezeigt, wie er sie... Ich bin mit ihr beschäftigt, ne? Also ich glaube, er sieht das schon aus so. Aber macht diese Pinselstriche auf dieser vorne sie sich ratlos an?
Johannes Franke: Jaja, aber die Szene passiert erst danach. Gleich am, also in der ersten, weiß ich nicht, nach dem großen Intro von ihrer Kindheit kommt ja diese Szene relativ schnell, wie sie mit dem Wasserglas, Amelie mit dem Wasserglas, bei ihm zu Hause steht und er dann sagt, hm, aber aus dem Mädchen mit dem Wasserglas werde ich nicht schlau. Ja. Und er beschließt einfach. über sie reden zu können, ohne sie ansprechen zu können.
Florian Bayer: Während sie einen Klüger in der Hand hat. Genau.
Johannes Franke: Und das finde ich natürlich total clever, das finde ich filmemacherisch clever, aber ich finde es auch für die Figur total gut, weil er genau weiß, dass wenn er sie genau anspricht und sagt, du warst mit deinem Leben los, dass sie dann sagt, tschüss, ich muss dann mal, weißt du. Und natürlich funktioniert das vor allem darüber. Und dann beschäftigt er sich natürlich auch mit ihr.
Florian Bayer: Das ist so witzig, die beiden kennen sich, ne?
Johannes Franke: Sie hat ihn noch nie gesehen.
Florian Bayer: Nee, aber ab diesem Moment, wo sie die erste Begegnung haben, Dufayel weiß, was Amelie macht. Der beobachtet sie. Der kriegt mit, dass sie das in den Wohnungen macht, dass sie da in dem Leben der anderen Leute rumspukt. Und er weiß natürlich, dass sie es ist, die ihm das Video schickt. Und es ist dieses offene Geheimnis, das nicht ausgesprochen wird. Er weiß, dass sie ihm die Videos schickt. Und sie weiß, dass er über sie redet, wenn er sich mit dem Bild beschäftigt. Sie weiß... dass wenn er sagt, ach, ich weiß nicht, wie diese Frau gerade drauf ist, und wenn sie dann antwortet, vielleicht ist sie so und so drauf, sie wissen genau, was Sache ist und sagen es nicht. Dieses Unausgesprochene, diese Verständigung, wir haben hier ein Geheimnis, wir wissen beide, was los ist, aber wir bleiben drin, wir bleiben in diesem Spiel drin. Das ist total toll, ich mag diese Dynamik. Ja,
Johannes Franke: ja, total. Weil auch wirklich beide genau Bescheid wissen.
Florian Bayer: Genau. Und das macht die beiden Figuren so spannend, weil alle anderen in diesem Film werden von Amelie hinters Licht geführt.
Johannes Franke: Sie hat immer alle Stränge in der Hand. Was sie anfängt, fängt sie so an, dass sie wirklich alles bestimmen kann. Dass alles nach ihren Regeln läuft. Wie zum Beispiel eben mit Nino.
Florian Bayer: Genau.
Johannes Franke: Von Anfang bis Ende hat sie alles in der Hand und kann in jedem Moment sagen, jetzt wird es mir zu viel, ich höre auf.
Florian Bayer: Ja, was sie vielleicht auch braucht, aber dazu kommen wir gleich nochmal. Absolut. Genau, und bei DuFayel ist es halt anders. Mit DuFayel existiert eine Intimität einfach, weil... sie im Gegensatz zu allen anderen bei ihm nicht diesen Wissensvorsprung hat. Und das macht ihre Beziehung ziemlich spannend.
Johannes Franke: Ja, total.
Florian Bayer: Und das macht ihn ja auch zu der Figur, die ihr am ehesten helfen kann. Die ihr diesen Schubs geben kann und sagen kann, so, du stehst jetzt nicht nur außen vor, du bist nicht mehr feige. Du machst jetzt was verdammt nochmal. Ja.
Johannes Franke: Er ist wirklich eine tolle Figur. Wollen wir mal zu Nino kommen?
Florian Bayer: Nino, die große Liebesgeschichte und die Figur, der sie ja auch hilft, indem sie ihm dieses Fotoalbum... zurückbringt.
Johannes Franke: Ja, was eine Hilfe ist, die nicht so eine große Tragweite hat, wie jetzt bei dem Schatzkästchen oder die Verkupplungsaktion oder sowas. Sie hat ja auch andere Interessen noch. Sie hat ja eigentlich das Interesse, auch sich selbst zu helfen. Ja,
Florian Bayer: auf jeden Fall. Und Nino, der wie sie ein totaler Träumer ist und ein wirklich schräger Vogel,
Johannes Franke: was sie nicht so richtig wissen kann, muss man dazu sagen. Die haben sich wirklich effektiv einmal auf der Straße irgendwo schnell gesehen. Für eine halbe Sekunde. Und dann später nochmal einmal am Fotofixautomaten nochmal. Und dann kennt sie halt das Buch.
Florian Bayer: Genau.
Johannes Franke: Und leitet alles aus diesem Buch ab, was sie über ihn denkt.
Florian Bayer: Aber sie weiß zumindest, dass er ein Kauz ist. Weil also man muss schon eine sehr spezifische Persönlichkeit haben, um, was für eine tolle Idee, zerrissene Fotos, die in Mülleimern und unter Fotofixautomaten liegen, weil die Leute, die die Fotos gemacht haben, nicht glücklich darüber waren, die zu sammeln, wieder zusammenzukleben und in einem Fotoalbum zu sammeln.
Johannes Franke: Ich muss wieder den Satz sagen, Jean-Pierre Jeunot schwört, dass es diesen Typen gibt, der dieses Album hat. Es ist angeblich ein legendäres Fotoalbum, was es tatsächlich gibt. Was jemand wirklich gesammelt hat.
Florian Bayer: Und ich glaube es ihm in dem Fall sogar. Es ist so ein schräges Hobby. Ich glaube, da kommt man nicht drauf, wenn man es nicht machen will, oder?
Johannes Franke: Das Ding ist, nach dem Film, ich war sehr, sehr impressionable, sagen wir mal so. Ich habe versucht, solche Fotos zu finden.
Florian Bayer: Scheiß Digitalfotografie.
Johannes Franke: Keine Chance. Und damals schon. Ich hab's schon damals versucht.
Florian Bayer: Okay, aber es war auch schon der Übergang, ne? Also damals hat's angefangen, dass die Automaten alle digital wurden.
Johannes Franke: Ja, also es ist leider nicht so einfach, einfach irgendwelche zerrissenen Fotos zu finden. Die Leute schmeißen nicht so viele weg.
Florian Bayer: Ja, glaub ich auch. Allein schon, weil die Leute Angst haben, dass die Fotos dann von irgendwem aufgesammelt werden können. Die Idee ist so cool und dieses Album ist mit so viel Liebe gestaltet und so viel Liebe für den Menschen. Und dieses Album beinhaltet auch ein Rätsel.
Johannes Franke: Das Rätsel ist großartig. Es ist wirklich ein tolles Rätsel, weil ich als Zuschauer unbedingt wissen will, wer ist dieser Typ?
Florian Bayer: Absolut.
Johannes Franke: Oh mein Gott, was ist das für ein Typ? Und ich finde die Auflösung so unglaublich perfekt banal. Es ist so toll,
Florian Bayer: diese Banalität dahinter.
Johannes Franke: Ich möchte Jean-Pierre Genue einfach nur umarmen und küssen dafür, dass er... Diese wahnsinnig banale Auflösung drin hat.
Florian Bayer: Und das Rätsel ist trotzdem so geil, ne? Ja. Wir haben diesen Mann, der mit einem sehr starren Gesichtsausdruck immer mal wieder auftaucht. Es gibt unfassbar viele Fotos in jedem Automaten in der Stadt von diesem einen Mann mit Glatze, der auch so ein bisschen blass ist und irgendwie diesen komischen Blick hat. Ja. Und dann fängt die Rätsel leiern. Ist es ein Phantom? Ist es ein Gespenst? Ist es ein Toter, der sich in Erinnerung rufen will?
Johannes Franke: Ja. Natürlich einer der Momente, den man exemplarisch für diesen Film rausholen kann, ne? Wenn man da sitzt und sich dieses Album anschaut und dann auf den Gedanken kommt, ja, ja, das ist ein Toter, der Angst davor hat, dass er vergessen wird. Also bedient er sich der Fotofixautomaten, um sein Abbild der Welt zu hinterlassen, damit ihn nicht vergessen wird, wie er aussieht. Und mit dieser Fantasie geht der ganze Film mit allem um. Ja, es ist so, so meine Welt, muss man sagen. Es trifft mich so, so hart, weil ich die ganze Zeit, wenn ich meinen Tag beobachte, wenn ich mich mal wirklich beobachte den ganzen Tag über mit meiner Freundin zusammen. Wir erzählen so viel Scheiße. Wir erfinden einer Milchpackung irgendeine blöde Geschichte. Wir hatten hier einen Schrank auf dem Balkon. Den haben wir immer noch. Eines Tages, ich habe den Schrank aufgebaut, als wir hier eingezogen sind. Und eines Tages habe ich festgestellt, dass unten irgendein Brett nicht ganz gerade war. Und der Schrank anfing nach rechts wegzukippen. Und dieses Brett, was unten stützen sollte, kippte so weg. Und ich hatte... Ich habe es nur festgestellt, glaube ich, weil eben dieses Brett dann in dem Moment auch richtig wegkippte und ich es gerade so geschafft habe, diesen Schrank aufzuhalten. Und unsere Geschichte danach, über die wir Rotz und Wasser geheult haben, weil wir uns viel zu dolle vorgestellt haben, ist, dass dieser arme Schrank die ganze halbes Jahr lang mit letzter Kraft noch, ich halte es noch aus. Ich schaff's noch. Wir haben dem eine ganze Biografie gegeben und wir waren völlig fertig mit den Nerven, weil wir so Mitleid mit ihm schrank hatten. Weil er die ganze Zeit versucht hat, uns das Leben irgendwie leicht zu machen. Ja, ja, ich halt noch aus.
Florian Bayer: Oh Gott.
Johannes Franke: Das ist unser Level, weißt du?
Florian Bayer: Ja. Ach, wie schön. Es ist einfach toll, dieses, ja genau, du hast einfach ein Phänomen, wo du genau weißt, dafür muss es eigentlich eine banale Erklärung geben. Und dann entsteht aber so ein Geschichtenuniversum.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Das ist total schön. Und ich finde es aber großartig, dass Jeunet den Weg geht, um uns zu zeigen, wie sieht die Realität dahinter aus. Weil egal, wie viel wir fantasieren, wir wollen natürlich trotzdem wissen, was ist die Realität dahinter? Was bringt einen Menschen dazu? Und dann kommt die Auflösung.
Johannes Franke: Es ist einfach nur derjenige, der die Automaten repariert. Der natürlich ein Foto machen muss, um zu verifizieren, dass das Ding wirklich wieder funktioniert, nachdem er es repariert hat. Es ist... So banal und so großartig und diese Momente sind so toll inszeniert, wie sie dasteht und kapiert, was da ist.
Florian Bayer: Wie der Wissensvorsprung.
Johannes Franke: Genau, und Wissensvorsprung Nino gegenüber hat und wie sie da grinst und diesen Typen anschaut, der da steht und denkt, was ist denn jetzt los? Kannst du mal, ich würde gerne an diesen Automaten ran, ich muss reparieren. Und sie ist so. glücklich, als sie ihn sieht.
Florian Bayer: Und davor haben wir ja wirklich diese sehr elaborierte Schnitzeljagd, die sie für Nino macht, mit dem zum einen, dass sie ihn irgendwo hinlockt, damit sie beobachten kann, wie sie aus großer Entfernung das Buch da zurücksteckt.
Johannes Franke: Das muss aber auch erstmal klappen, ne? Also da sind so viele Fehlerquellen.
Florian Bayer: Absolut. Es ist schon erfordert, aber wie gesagt, nochmal, es ist ein Märchen. Es erfordert sehr viel Suspension of Disbelief, dass diese Sachen, die sie vorhat, dass die so funktionieren, wie sie funktionieren.
Johannes Franke: Sie muss die Statue bezahlt haben. Sie muss den Typen extra angeheuert haben, dass der als Statue dasteht, mit dem Finger drauf zeigt.
Florian Bayer: Wobei ich da auch noch ein bisschen Ninos Fantasie sehe. Ich könnte mir vorstellen, das ist einfach eine Statue.
Johannes Franke: Was ist mit dem Kind? Das Kind wurde... auch von Amelie in meinem Kopf wurde, hat Amelie das Kind auch dahingestellt. Falls du die Nose nicht kapiert, dass dieses Kind da ihn anzüpftelt und sagt, Alter, guck nicht auf den Finger, guck bitte dorthin, wo der Finger hin zeigt.
Florian Bayer: Das habe ich als glücklichen Zufall verbucht. Nope. Auch, dass sie exakt das richtige Timing findet, wenn er durch das Ding guckt. Sie hat nämlich kein Fernrohr in der Hand, sie sieht nicht, was er macht, aber genau im richtigen Moment das Buch da rein zu stecken.
Johannes Franke: Und dass niemand zwischendurch dieses Fernrohr auch nur einen Zentimeter zur Seite gerückt hat, dass er genau auf dieses Fahrrad gucken kann.
Florian Bayer: Genau. Sehr viele Zufälle, aber es funktioniert. Und gleichzeitig, zum einen macht sie dieses Rätsel für ihn, dann klebt sie auch Bilder von sich in das Buch, wo sie...
Johannes Franke: Das ist super süß.
Florian Bayer: Was trägt sie? So Karnevalszeug, ne?
Johannes Franke: Ja, sie hat sich total verkleidet und irgendwie mega... Schminke aufgetragen und so und hat sie dieses Fragezeichen auf dem Bauch geklebt.
Florian Bayer: Und genau, also da geht's noch so ein bisschen weiter mit dem Rätsel und gleichzeitig versucht sie aber auch mehr über ihn herauszufinden und stalkt ihr auch ein bisschen, ne?
Johannes Franke: Ja, ja, ja, ja. Also das ist auch so ein bisschen, da kann man eine Perspektive haben, wo man sagt, oh, okay, sie ist ein bisschen so eine, es könnte auch gefährlich werden. Wenn man da andere Musik drunter legt, könnte man sie mit der Sonnenbrille und am Apparat und so, also das ist schon so ein bisschen...
Florian Bayer: Dieser böse Blick in die Kamera dann auch teilweise funktionieren. Ja. Wir sind ihre Komplizen.
Johannes Franke: Apropos andere Musik, wenn man andere Musik drunter legt. Es gibt einen von Jean-Pierre Genet, einen Re-Cut.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Er hat selbst diesen Film genommen und hat ihm eine neue Bedeutung gegeben, indem er das komplett neu anders mit einem neuen Erzähler anders zusammengebaut hat. In diesem Re-Cut von 2023, glaube ich, also sehr jung, kommt raus, dass sie eigentlich eine Agentin des KGB ist. Ihr müsst es euch anschauen.
Florian Bayer: Es ist so geil.
Johannes Franke: Es ist super großartig. Ich habe es sofort weitergeschickt. Du hattest auch Spaß,
Florian Bayer: ne? Es war voll. Es war immer so irre. Weil er fängt dann an zu erzählen. Und es wird von Sekunde zu Sekunde schräger, was er sich alles ausdeckt. Und auch das ist voll im Geiste dieses Films, weil es gibt ja diese Zwischenerzählung, wo Nino ein bisschen zu spät in die Bar kommt. Und Amelie findet nur zwei Erklärungen. Entweder er hat es nicht gefunden oder, und da kommt eine riesige Geschichte mit Entführung, mit Geiselnahme, mit... religiösen Extremisten am Schluss landet er irgendwo in Afghanistan mit einem
Johannes Franke: Tee-Wärmer auf dem Kopf. Sie findet, sie sollte sich keine Sorgen machen um einen blöden Typen mit einem blöden Tee-Wärmer auf dem Kopf. Das ist ihre Konsequenz aus dieser Geschichte, die sich da ausgemalt hat, was passiert sein könnte, dass er nicht da ist. Und dann kommt er rein.
Florian Bayer: Genau, fünf Minuten zu spät wahrscheinlich, vielleicht auch nur zwei. Und genau dieses Weiterspinnen, dieses Ideen-Weiterspinnen, dieser Typ, der auf den Bildern zu sehen ist, muss ein Toter sein, da gibt es eine Hintergrundgeschichte wie mit deinem Schrank. Ja, genau dasselbe. Dann kann man Amelie so erzählen, dass sie eine Spionin ist oder eben halt auch ein Schicksal war, dass er entführt wurde und dass das passiert ist und das passiert ist und das passiert ist. Was den ganzen Film überträgt, diese Verbeugung vor der menschlichen Fantasie und vor dieser... Freude daran, sich Märchen und Geschichten und Legenden zu erzählen.
Johannes Franke: Und deswegen glaube ich auch, dass dieses ganze Ding als Märchen in sich alles Mögliche machen darf. Und deswegen komme ich mit den ganzen Sachen klar, die vielleicht doch ein bisschen problematisch sind, wie mit dem Blinden und so.
Florian Bayer: Und sich schafft es ja auch, diese Märchennarrative auf die Leute zu übertragen. Das ist wahrscheinlich die Stärke von Amelie, also von der Figur Amelie, die überhaupt nicht für sowas empfänglich sind. Nämlich ihr Vater ganz konkret, der Nächste, dem sie hilft. Wenn sie seinen Gartenzwerg auf Reise schickt und ihr Vater ist niemand, der glaubt, dass ein Gartenzwerg loszieht mit Kopern und nach Russland fährt, nach Afrika und so weiter.
Johannes Franke: Er steht so fassungslos da jedes Mal. Es ist toll.
Florian Bayer: Es ist einfach nicht. Aber sie schafft es, ihn da mitzureisen. Sie gibt diesen Gartenzwerg, gibt sie ihrer Freundin, die Stewardess ist und nimmt den Gartenzwerg einmal mit und packt und schickt dem Vater regelmäßig Ansichtskarten aus verschiedenen Ländern mit dem Zwerg drauf.
Johannes Franke: Es gibt das übrigens wirklich.
Florian Bayer: Und es ist mehr geworden durch Amelie, ne?
Johannes Franke: Achso, das weiß ich nicht ganz genau, aber es ist inspiriert von etwas, was in England und Frankreich in den 90ern passiert ist. Bis 1997, wo ein französisches Gericht wirklich Leute verurteilt hat dafür. Es wurden über 150 Gnome, solche Gartenzwerge, entführt und in der Gegend rumgeschickt und Fotos davon gemacht und so. Und später hat das man noch eine Firma als Werbung benutzt. Eine Travel Agency hat das dann irgendwie als Werbung verkauft.
Florian Bayer: Oh man Leute, legt euch Humor zu. Wegen sowas gehört niemand verklagt.
Johannes Franke: Ja, also, naja, ich meine, die Gartenzwerge waren vielleicht auch ein bisschen wertvoll für den einen oder anderen.
Florian Bayer: Scheißegal. Für sowas gehört niemand verklagt.
Johannes Franke: Nein, natürlich nicht. Aber es ist schon, es gibt sozusagen eine richtig krasse Geschichte dahinter mit diesen 150
Florian Bayer: Gartenzwergen. Der Original Gartenzwerg aus diesem Film wurde dem Café de Moulin geschnitten. Ja,
Johannes Franke: und geklaut.
Florian Bayer: Und geklaut. Vielleicht ist er auch unterwegs auf Reisen. Ja, vielleicht. Und so sachlich ihr Vater ist und so nüchtern. Diese Bilder von dem Gartenzwerg, der auf Reisen ist, bringen ihn dazu am Schluss des Films auch auf Reisen zu kinden.
Johannes Franke: Ich glaube, es ist das, was wir vor ein paar Episoden schon mal hatten, diese Konsistenz. Sie macht das nicht nur einmal, sondern es kommen immer, immer wieder Briefe aus aller Welt an. Ja. Und ich glaube... dass diese Konsequenz und der lange Atem, der führt einfach dazu, dass jemand sagt, okay, gut, also langsam gebe ich auf, alles in Ordnung, ich glaube euch jetzt einfach, dass das eine gute Idee ist. Ich mache das jetzt.
Florian Bayer: Auf meiner Liste der Personen, denen sie hilft, steht noch eine und auch eine ganz kleine Geschichte, aber auch was, was ich unfassbar süß finde und auch sehr tragisch. Wir haben diesen Poeten, den Hippolito, der eigentlich die ganze Zeit darauf hofft, veröffentlicht zu werden und tausendmal abgelehnt wird bei Verlagen. Und er kann offensichtlich schreiben in einem sehr spezifischen romantischen Duktus. Und sie nimmt eines seiner Zitate und pinselt das an eine Wand mit dem Namen von ihm drunter. So nach dem Motto, du wirst gelesen, du wirst gehört und deine Poesie kommt bei Menschen an. Und das bringt ihn einfach dazu, ein bisschen glücklicher durchs Leben zu gehen.
Johannes Franke: Und es ist nicht das große Ding. Es ist nicht so, dass dann irgendwie in Amerika bei einem Hollywood-Film würde dann irgendein Verleger auf ihn aufmerksam machen werden und dann würde er eine große Karriere machen. Aber nein, es geht ja um die kleinen Dinge. Es geht ja darum, jemandem ein bisschen einen besseren Tag zu verschaffen auch. Das finde ich toll und das finde ich wichtig und ist auch eine gute Botschaft.
Florian Bayer: Es ist ja so, diese Liebe für die kleinen Dinge. Also am Anfang wird es ganz extrem durchtelepriert, wenn bei jeder einzelnen Person gesagt wird, was sie mag und was sie nicht mag. Voll mit ASMR. Allein wenn die Werkzeugkiste vom Vater aus wird, wenn dieser Staub rauskommt. Du sitzt da und du findest es geil. Natürlich. Ich habe überhaupt keinen Bock drauf, Werkzeugkisten zu räumen.
Johannes Franke: Aber in dem Moment habe ich das. Genau.
Florian Bayer: Und dann, wenn erzählt wird, was genau, auch so die einzelnen kleinen Figuren, dann haben wir Susanne, dann wird erzählt, sie mag es nicht, wenn die Männer weinen, die Schlittschuhläufer und dann sie mag es aber nicht, wenn ein Vater vor ihren Augen, vor den Augen seines Kindes im Café irgendwie erniedrigt wird, weil irgendjemand doof mit ihm redet. Und so diese kleinen Sachen, weil jeder hat sowas, jeder hat so ganz kleine Dinge, die er extrem mag und so ganz kleine Dinge, die er extrem nicht mag und es sind so Spleens, wo man drauf guckt und denkt, das ist total merkwürdig und das macht voll den Menschen aus. Diese ganz kleinen Dinge, die uns das Leben schön machen.
Johannes Franke: Und diese Beobachtung dessen und diese Obsession auf diese Details, die bringen mich auch ein bisschen auf diesen Autismus, muss ich sagen. Auf den Autismus von Amelie. Zum einen eben diese Details. auf die man sich stürzt und die einem sehr, sehr wichtig sind. Autismus ist immer anders. Wenn du einen Menschen mit Autismus kennst, dann kennst du genau diesen einen Menschen mit Autismus und der nächste ist halt völlig anders.
Florian Bayer: Wir reden nicht unumfassbar von Spektrum.
Johannes Franke: Ja, genau. Und deswegen kann man jetzt nicht generalisieren, aber es gibt so ein paar Sachen, die einfach immer wieder auftauchen und die so ein bisschen einen Hinweis darauf geben, dass man vielleicht mit Autismus durch die Gegend läuft. Und das sind solche Sachen wie zum Beispiel dieses Obsess sein mit so Details oder so Spezialisierungen, die man durchmacht. Aber eben auch solche Sachen wie, ich habe einmal eine schlechte Erfahrung gemacht, mit Männern zum Beispiel, und in dem Moment beschließe ich das nie wieder zu machen. Es gibt manchmal eben auf dem Autismus-Spektrum diesen Filter, diesen Graufilter nicht. Hopp oder Flopp. Ich habe es probiert, es ist nichts für mich, beschlossene Sache für den Rest meines Lebens. Das gibt es. Und ich glaube, dass Amelie das eben einfach irgendwann mal beschlossen hat und gesagt hat, das ist nichts für mich und Menschen sind nichts für mich. Und da wieder rauszukommen ist einfach wahnsinnig schwer, wenn du so drauf bist.
Florian Bayer: Was der Film ja auch ein bisschen erzählt, also zumindest was die Liebe zum Detail betrifft, ist, dass alle Menschen so sind. Schäme dich nicht wegen deiner kleinen Pics, weil es gibt auch irgendwo in irgendeinem Café in Paris sitzt jemand, der es unfassbar liebt, diese Plastik. Ding anplatzen zu lassen, aber das liebt jeder. Das ist kein besonders merkwürdiger Spleen. Aber es gibt irgendwo eine Frau, die es nicht gerne hört, wenn Benedikt für die Frucht deines Leibes gesagt wird.
Johannes Franke: Dass du diesen Satz jetzt einfach so aus dem Kopf...
Florian Bayer: Und es gibt Menschen, die lieben es einfach zu sehen, wie Toreros von Stieren auf die Hörner genommen werden. Also jeder hat irgendwie so kleine Spleens und so weiter. Schäm dich nicht für die Sachen, die du magst. Wenn du es toll findest, Kleber von irgendwo abzuziehen, go for it. Das ist schön. Das macht das Leben aus.
Johannes Franke: Ich finde auch dieses... Dieser Moment, wo sie bei den Großeltern ist und der Typ, der früher Karten abgeknipst hat als Schaffner. Und er sagt... Jeder beruhigt seine Nerven mit was anderem. Und sie sagt, ja, ich lasse Steine weh springen. Was die Schauspielerin nicht konnte.
Florian Bayer: Sie haben es digital gemacht.
Johannes Franke: Ja, die hat es einfach nicht hingekriegt. Aber das ist auch für mich so ein Hinweis. Ich weiß nicht, ob du das kennst, aber diese ganzen Fidget Spinner und so weiter, die werden ganz, ganz, ganz viel an Menschen mit Autismus verkauft. Weil man will seine Finger irgendwie bewegen. Man will irgendwo Energie reinstecken und so. Es ist ganz verbreitet. in diesem Bereich.
Florian Bayer: Aber genau das ist ja auch was, was, also ich mach das auch tatsächlich, also ich hab keinen Fidget Spinner, ich hab ganz viele, aber die sind irgendwo in der Kiste, weil es ist nicht mehr 2016. Aber auch so andere Sachen, also so die Finger beschäftigen, das kenn ich auch total, dieses Bedürfnis. Und zu sagen, ah ich find's geil irgendwas zwischendurch zu machen, ich find Steine springen lassen auch übrigens schön. Ich bin immer, das macht mich immer fertig, dass meine Freundin das so gut kann, die ist dann so am Fluss und macht so und dann springt das Ding hundertmal. Oh mein Gott. Und macht dabei noch eine Schleife und tanzt ein bisschen in der Luft und ich mach das mal schlup, schlup. Bloop. Ich bin ganz stolz auf meine zwei Aufsätze. Aber ich mach das total gerne. Also ich glaub, wir haben auch schon den ganzen Sommer damit verbracht, Schwein übers Wasser springen zu lassen.
Johannes Franke: Ich hab mich wahnsinnig gefreut über die Stelle, wo die Freundin, also die Mitarbeiterin aus dem Café Nino zur Seite nimmt und sagt, komm, wir gehen mal spazieren. Ja! Und wirklich sagt, okay, ich weiß, Amelie ist anders. Und ich will sie mehr oder weniger beschützen. Ich will nicht, dass... sie die gleiche schlechte Erfahrung mit Männern macht, wie sie es vorher schon mal gemacht hat. Weil dann weiß ich, ist endgültig Sense. Ja. Deswegen teste ich dich jetzt erstmal.
Florian Bayer: Aber ihr Test ist sehr merkwürdig.
Johannes Franke: Der Test ist wirklich sehr merkwürdig.
Florian Bayer: Ich würde den Test voll bestehen, weil ich als Kind mal trittiert wurde mit diesen Sprichwörtern.
Johannes Franke: Aber ich weiß nicht, ob das ein guter Charakter bedeutet. Ja,
Florian Bayer: nein, ich glaube, das bedeutet gar nichts. Das bedeutet, dass du als Kind irgendwann in der Schule oder in der Kita oder von irgendwelchen Eltern einfach das Zeug an den Kopf geworfen gekriegt hast, bis du es auswendig konntest. Und ich habe die Dinge immer noch drauf. Ich glaube, ich hatte so ein Kartenspiel, wo man das vervollständigen musste, wenn ich mich richtig erinnere. Da waren dann immer die Anfangssätze, die Satzanfänge. Also es ist noch kein Meister. musst du ergänzen, vom Himmel gefallen. Dann liest du die Karte rum und sie ist vom Himmel gefallen. Und deswegen kann ich den ganzen Scheiß auswendig. Ich wäre sehr gut bei den 500-Euro-Fragen bei Wer wird Millionär? Das ist meine Stärke, wenn ich eine Stärke habe. 500-Euro-Fragen bei Wer wird Millionär? Wo die Leute sich teilweise echt winden, weil sie halt diese alten Sprichwörter, diese alten deutschen Sprichwörter nicht kennen. Voll mein Ding.
Johannes Franke: Okay, herzlichen Glückwunsch, du hast 500 Euro gewonnen. Danach musstest du direkt alle... Joker einsetzen.
Florian Bayer: Bei der nächsten Frage, wenn es irgendwas mit Sport zu tun hat, schalte ich nämlich sofort. Übrigens, liebe New York Times, macht weniger Sport bei euren scheiß Connections. Bitte,
Johannes Franke: bitte, bitte.
Florian Bayer: Es nervt so. Ich liebe Connections, aber es ist viel zu oft irgendwie Basketballbegriffe oder sowas dabei. Bitte weniger. Ihr habt nicht so ein sportaffines Publikum.
Johannes Franke: Ich schicke denen die Episode, Flo. Oh mein Gott, was ist das für eine Musik?
Florian Bayer: Was war das? Wo sind wir? Ich glaube, wir wurden rausgerissen.
Johannes Franke: Aber wohin?
Florian Bayer: Oh mein Gott, Johannes. Ja? Ich befürchte, wir befinden uns in einer Self-Probe.
Johannes Franke: Oh nein!
Florian Bayer: Shit! Ganz schnell, ganz schnell, damit wir zurück zum Gespräch können. Was müssen wir machen? Was müssen wir sagen?
Johannes Franke: Wir müssen den Leuten unbedingt sagen, dass sie uns abonnieren sollen, wo auch immer sie sind. Also auf Spotify oder Apple oder sowas.
Florian Bayer: Beam, whatever, was ihr auch nutzt.
Johannes Franke: Also abonnieren und anderen sagen, dass sie uns abonnieren sollen.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Wenn euch die Folge gefällt, gebt uns gerne Sterne, Herzchen, Daumen hoch, was auch immer euer Podcatcher anbietet.
Johannes Franke: Genau, und wenn sie euch nicht gefällt, dann schickt diese Episode weiter an eure Feinde oder eure Nachbarn oder so.
Florian Bayer: Und wenn ihr uns Feedback geben wollt, wir freuen uns total über jeden Kommentar an johannes.mussmannsehen.de oder florian.mussmannsehen.de.
Johannes Franke: Genau, schickt uns Filmvorschläge und so weiter. Boah, das soll schnell durchkommen. Ja,
Florian Bayer: jetzt schnell raus,
Johannes Franke: schnell wieder zurück ins Gespräch.
Florian Bayer: Noch mal ganz kurz zum Steinespring zurück.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Sie konnte es nicht?
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Sie haben es mit Computer gemacht. Sie haben, und das ist so ein Ding, das ist der Film aus der Zeit, Anfang 2000er, da wurde angefangen, Zeug mit Computer mehr zu machen. Und das haben sie in diesem Film auch. Sie haben zum Beispiel diesen Leuchteffekt auf den Blinden, wenn er still ist und freut.
Johannes Franke: Ja, das mit dem Herz, mit dem Schlüssel.
Florian Bayer: Mit dem Herz, mit dem Schlüssel, diese Transparenz, diese Röntgenbilder quasi. Und dann aber auch sowas wie ihre Lampen und ihre Bilder, die sich kurz miteinander unterhalten. Richtig süß, das Foto, das sich bewegt.
Johannes Franke: Ja. Total süß.
Florian Bayer: Was total cool ist.
Johannes Franke: Die Malereien, die sich dann auch bewegen, also die Figuren da, die sind von einem Künstler, einem deutschen Künstler entworfen. Oh. Ja. Michael Sowa. Das ist der deutsche Maler, der hier diese Sachen beigesteuert hat. Die Schweinelamp und auch die Bilder, die an der Wand hängen. Animiert hat er sie nicht, aber er hat sie entworfen.
Florian Bayer: Ein ganz toller Maler, der wirklich schöne Bilder gemacht hat und spannende Bilder. Und es ist aber... Wo wir einmal kurz drüber reden müssen. Es ist ein 2000er-Film und man sieht den Special Effects, man sieht der CGI an, dass es 2000er ist.
Johannes Franke: Aber ich habe überhaupt gar kein Problem damit, muss ich sagen.
Florian Bayer: Ich finde, also Problem ist viel zu viel gesagt, weil ich sehe auch, ich weiß auch noch, wie ich das damals toll fand, schön fand, dass das so, es ist total großartig, dass das so natürlich eingebaut ist. Es wirkt nicht so wie so eine CGI-Overdosis. Wir haben in vielen Filmen aus der Zeit haben wir so CGI, wo du denkst, oh, ja, ihr könnt es jetzt, aber ihr müsst es... deswegen nicht unbedingt machen. Es ist in diesem Film anders. Es ist sehr pointiert gesetzt in den richtigen Stellen und wenn sie zerfließt, ja, das ist nicht mehr State of the Art. Es ist halt einfach auch 25 Jahre alt.
Johannes Franke: Wurscht.
Florian Bayer: Aber es ist schön, dass sie es machen. Und das betrifft natürlich irgendwie so die gesamte Inszenierung. Dieser Schnitt und die Farbgebung und das alles, das ist schon sehr exquisit. Man merkt, da hat sich jemand wirklich Gedanken drüber gemacht, wie platziere ich die Kamera, wo mache ich Zeitraffer, wo setze ich Schnitte und Nuttel. Wir sagen das Wort Liebe zum Detail heute sehr oft.
Johannes Franke: Ja, absolut. So viel Liebe zum Detail. Sie haben den Film nicht digital gedreht, aber er wurde dann digital farbkorrigiert. Ja. Und einer der ersten großen Beispiele der digitalen Farbkorrektur. Eigentlich der erste große. Sie haben 2K gehabt dann irgendwie als digitale Version und die dann einfach wirklich heavily verändert. Und er hat DVD-Kommentar, also Jean-Pierre Jeunet hat im... DVD-Kommentar immer mal wieder gesagt, ja, hier, guckt euch das Rot und das Grün an, es ist ja großartig und hat dann wiederum gesagt, ja, aber das war da im Himmel, das war halt so ein Tag, da ging das nicht so gut, aber wir haben es trotzdem irgendwie gemacht und da haben wir ganz schön lange dran gearbeitet, dass das gut aussieht und so. Also sie haben viel, viel, viel vor dem Computer gesessen und Farben hin und her geschubst.
Florian Bayer: Wir befinden uns Anfang der 2000er Jahre, das war damals was anderes. Damals hast du bei der Color Correction nicht so... Zack und dann war das schon vorgerendert und so weiter. Sondern du hast ein paar Frames eingefärbt und dann hast du den erstmal rendern lassen. Ich habe angefangen mit Filme schneiden, so ein bisschen mich damit zu beschäftigen, irgendwann Mitte der 2000er. Und damals schon war es, also wie gesagt, wir sind jetzt im Jahr 2024, vor 15 Jahren schon war es so, dass es teilweise deutlich mühsamer war als das, was wir heute kennen. Ja, ja, ja. Wenn du erinnerst, du hast auch ein... da angefangen, wenn du dich zurückerinnerst, wie damals Schnittprogramme funktioniert haben. Und es gab zwar schon dieses Feature-Set, das wir heute haben, war größtenteils da, aber bei weitem nicht so komfortabel, deutlich hakeliger alles. Und Keying und so ein Shit, also das war eine ganz andere Zeit, eine ganz andere Welt.
Johannes Franke: Absolut, da könnte man eine ganz eigene Folge mitmachen. Darauf verzichten wir. Aber es ist schon wirklich crazy, wie viel Aufwand da drin steckt dann einfach. Ja,
Florian Bayer: und das hat sich aber voll ausgezahlt. Dieser Film sprudelt. nur so vor Ideen und auch vor Umsetzungen, die einfach voll geil sind.
Johannes Franke: Einmal ein Hinweis an euch da draußen, wenn ihr gerade einen Film macht und sagt, okay, wir brauchen aber ein tolles Farbkonzept, bitte nicht erst im Nachhinein machen. Bitte nicht den Film drehen, dann ins Studio gehen und sagen, hier, lieber Farbkorrekteur, bitte machen wir hier ein ganz tolles Farbkonzept, vor allem Farbe Rot dominant und Farbe Grün dominant, nehmen wir das Beispiel von hier. ihr müsst das schon so drehen, dass auch rot und grün vorkommen im Bild. Sonst kann man das nicht vergrößern. Das habe ich ganz oft, wirklich. Ich kenne Leute, die Filme gedreht haben und dann gesagt haben, ja, und jetzt möchte ich aber gerne, dass das irgendwie nach diesem Farbkonzept funktioniert. Und ich so, aber wenn du das nicht im Bild hast, wenn du keine roten oder grünen Elemente hast, wo soll ich es hernehmen? Das funktioniert nicht. Das heißt, Jean-Pierre Jeunet hat es natürlich richtig gemacht. Er hat viele Kostüme. Daran nach ausgesucht, ob die die Farbe rot oder grün oder gelb haben. Blaue Lampen an richtigen Stellen. Farbe blau kommt sehr wenig vor, aber wenn, dann richtig eingesetzt. Also der hat beim Dreh ganz genau darauf geachtet, welche Farbe die Wand hat und welche Farbe das Kostüm hat und so weiter.
Florian Bayer: Um vielleicht mal so, mit wie viel Herzblut der da rangegangen ist. Ja. Wenn die gedreht haben und die haben halt, sie haben in Paris gedreht. Ja. losgezogen vor dem Dreh, und zwar morgens, und haben sauber gemacht. Die haben die Wand von Graffitis befreit, die haben Müll aufgehoben, die haben alles weggeräumt, was irgendwie an das Paris erinnert, das wir kennen. Damit sie das Paris erzeugen, was wir aus Amelie kennen.
Johannes Franke: Jean-Pierre Genet hat selbst im DVD-Kommentar gesagt. Paris ist wie Scheiße. Es ist nicht die Version, die ich in dem Film habe. Auf gar keinen Fall.
Florian Bayer: Du willst nicht wissen, wie viele Leute nach diesem Film nach Paris gefahren sind und hier nicht enttäuscht waren, dass sie das gesehen haben, wo sie doch das erwartet haben. Es gibt diese,
Johannes Franke: ich weiß ihren Namen nicht, ich weiß es jetzt nur so aus dem Kopf, mir fällt das so gerade ein, dass es dieses Syndrom gibt, dass vor allem anscheinend Asiaten irgendwie haben, wenn sie nach Paris kommen, Und dann so wahnsinnig enttäuscht sind, weil Paris nicht das ist, was sie sich vorgestellt haben, was es ist. Es ist anscheinend ein asiatisches Phänomen, keine Ahnung warum. Aber es ist tatsächlich, aus der Gegend kommt das vor allem. Und es gibt einen speziellen Namen.
Florian Bayer: Was ich ja total geil finde, es werden tatsächlich zwei Versionen von Paris gezeigt in diesem Film. Wir haben zum einen dieses kleine Gassen Paris, was natürlich so der Haupt-Dreh-und Angelpunkt der Handlung ist. Also dieses Café de Moulin, das Haus in dem Amelie wohnt, dieser Altbau, wo du heute glaube ich... 10.000 Euro im Monat bezahlen würdest, um so eine Wohnung mieten zu können. So alles stylisch und kann man sich heute nicht mehr leisten. Damals konnte man das noch. Auch damals auf Paris. Stimmt, in Berlin wäre ich damals noch gegangen. Auf jeden Fall dieses kleine Paris, diese engen Gassen und dann gibt es aber immer so Zeitraffer, kurze Aufnahmen von dem großen Paris, nämlich wenn sie durch die Stadt fährt und dann haben wir auch so ein bisschen so ein Gefühl von der Hektik der Großstadt. Wir hören die Bahn fahren, wir sehen kurz, wirklich kurz auch so Touristen spielen. Spots aufblinken, so Bilder, die man wirklich kennt, wenn man in Paris war, die man einfach gesehen hat.
Johannes Franke: Stimmt, ja.
Florian Bayer: Und das geht dann aber sehr schnell vorbei. Und das finde ich ist eine sehr schöne Mischung, weil der Film dann zumindest immer so ein bisschen andeutet, ja, es gibt auch dieses andere Paris. Es gibt auch diese Szene, wo Amelie relativ am Anfang mit dem Gartenzwerg, nachdem sie eingeschlafen ist, am Bahnhof mit dem Gartenzwerg so ein bisschen ängstlich geht. Und hinter ihr sind so drei, vier Jugendliche und es wirkt so, als würden die sich über sie lustig machen. Es ist keine große Szene und es wird auch keine bedrohliche Situation aufgebaut. Aber es wird so ein bisschen angedeutet, ja, das ist halt auch Paris.
Johannes Franke: Das gibt es, ja.
Florian Bayer: Ich finde es ganz schön, dass diese Momente so ein bisschen eingebaut sind, dass diese Urbane nicht komplett verloren geht unter dem Zucker.
Johannes Franke: Ja, das stimmt. Wenn sie da in, das ist, glaube ich, auch die dreckigste Szene, wie sie da mit dem Gartenzwerg im Automaten liegt und schläft und dann noch irgendwie Müll rumliegt. Ich glaube, da gab es das erste Mal überhaupt, Müll zu sehen.
Florian Bayer: Und sonst ist es halt natürlich genau, wir haben sehr viel das Paris der Vororte, nämlich da, wo ihr Vater lebt. Und dann haben wir dieses Paris, diese kleinen Gassen, diese kleinen Cafés. Das, was man hofft, in Paris zu finden, wenn man nach Paris fährt, das ist nicht der Eiffelturm, sondern du willst in so eine kleine Gasse und willst das Café finden, das die besten Crêpes macht. Oder auch einfach nur einen Mittagstisch hat für die einfache französische Bevölkerung. Dich da reinsetzen, den einsamen Armen. Poeten an dem einen Tisch sehen. Du willst die Besitzerin, die irgendwas Geiles zu erzählen hat, weil sie irgendeinen Zirkusunfall hatte, die irgendwie ein bewegtes Leben hinter sich hat, das suchst du, das hoffst du zu finden.
Johannes Franke: Und du willst den Typen, der das Baguette unterm Arm hat. Und der genau diese Stelle vom Baguette dann wegschmeißt, die unter seinem Arm war. Ich hab mal gehört, und ich weiß nicht, ob das irgendein Myth ist, aber ich hab mal gehört, dass Leute, also dass Franzosen tatsächlich dieses Baguette, das lange Baguette unterm Arm tragen und dass es diese eine Stelle gibt, die eben unter der Achsel ist. Die dann voll geschweißt.
Florian Bayer: Salzig.
Johannes Franke: Und wenn sie Gäste haben, die sie nicht mögen, dann geben sie ihnen diese.
Florian Bayer: Ist das eklig. Oh mein Gott, warum erzählst du sowas?
Johannes Franke: Ich fand das wahnsinnig witzig. Ich weiß nicht, ob das wahr ist. Eigentlich nicht, aber.
Florian Bayer: Und ich weiß, du bist Nichtraucher, aber natürlich Goloas, die gehören dazu. Man sitzt in diesem Café vor der Tür und selbst als Nichtraucher musst du da sitzen und musst einen Café Olé trinken. Das trinkt man nämlich in Frankreich. Dazu ein Baguette essen, hoffentlich nicht die Schwitzseite. Und eine Goulor rauchen.
Johannes Franke: Und du musst ans Set von De Moulin gehen und Zigaretten kaufen wollen, obwohl da gerade gedreht wird. Die haben wirklich am Set, als sie da gedreht haben, in diesem Café, die haben ja den Zigarettenstand aufgebaut, sind immer wieder Leute einfach ans Set gekommen und haben gesagt, ich hätte gerne die und die Zigaretten und dann haben sie gesagt, ja, wir drehen hier aber einen Film. Und die so... Mir doch egal. Drehst hier gerne einen Film, aber ich will die Zigaretten haben.
Florian Bayer: Wenn ich tatsächlich, wenn meine Zigaretten ausgegangen sind und ich bin suchtkrank, was so dazu zu sagen, also ich bin Raucher, wenn du Raucher bist, bist du suchtkrank in den meisten Fällen, dann bin ich aber auch so drauf. Dann sage ich auch, scheißegal, da sind Zigaretten. Lass mich kurz einen Fünfer da hinwerfen und gib mir die Dinger einfach. Mir vollkommen egal, was... Es dauert nicht lange. Die 30 Sekunden habt ihr jetzt für mich.
Johannes Franke: Das ist Requisite.
Florian Bayer: Das ist Requisite. eine Wunschvorstellung von Paris. Man findet dieses Paris teilweise ein bisschen, wenn man in Paris ist.
Johannes Franke: Du musst selektieren. Ich bin halt auch in Paris rumgelaufen und hab halt verschiedene Tagesformen gehabt. Wenn man eine richtige Tagesform hat und es schafft, das zu selektieren, dann ist Paris immer noch genau so wunderschön, wie ich es mir im Film vorstelle.
Florian Bayer: Ich finde, Paris ist eine Stadt der Gegensätze. Dürfer Spruch. So Standardspruch. Ich fühle mich nämlich genau an diesem urbanen Paris. fühle ich mich nicht so wohl. Diese großen Plätze und diese großen Straßen, das ist halt viel Paris. So ne Arktik, Lyon, Eiffelturm und so weiter. Diese Touristenspots. Aber wenn du die kleinen Gassen findest, gibt es sehr viele schöne Seiten von Paris.
Johannes Franke: Und du darfst auf gar keinen Fall in die Außenbezirke gehen. Auf gar keinen Fall.
Florian Bayer: Ich wollte gerade sagen, es gibt ja auch etwas schmutzigeren Seiten in den kleinen Gassen. Die sind nicht so wie in Amelie. Aber auch das kann direkt zum Charme der Stadt bei. Aber das ist halt auch so ein Ding, was man mag. wenn man in einer Stadt ist. Ich finde zum Beispiel, ich bin gerne in Kreuzberg unterwegs. Kreuzberg hat eine Schönheit im Dreck und in den Graffitis und in den Dealern und Verbrechen und so weiter. Aber es gibt eine Schönheit da drin.
Johannes Franke: Es gibt eine Schönheit im Verbrechen? Jetzt bin ich gespannt.
Florian Bayer: Und das sind Seiten, die man auch in Paris hat und auch so Richtung Außenbezirke, die aber auch irgendwie schön sind und ihren eigenen Charme haben. Und ich glaube, wenn man aus Berlin kommt... Wenn man in Berlin-Kreuzberg unterwegs ist, dann kann man auch in Paris so ein bisschen Richtung Bordelieu gehen. So groß ist der Unterschied nicht.
Johannes Franke: Na gut. Im Film spielt Lady Di eine Rolle.
Florian Bayer: Ja.
Johannes Franke: Warum Lady Di?
Florian Bayer: Ich finde, sie tut sich. Sie ist Platzhalter.
Johannes Franke: Ich glaube, dass Lady Di an sich tatsächlich sehr sinnvoll ausgewählt ist, weil Lady Di dafür bekannt war, Charity Work und sehr nah an den Menschen zu sein. Und dass sie sozusagen als Cherry on top Wir haben so viele Leute, die sich irgendwie um Menschen kümmern, die Menschen lieben, die das Leben lieben, die irgendwie versuchen, Gutes im Menschen zu finden. Und dann nehme ich Lady Di als tragische Figur über diesen ganzen Film.
Florian Bayer: Ich hätte tatsächlich gedacht, wenn diese Szene kommt, wo Amelie vom Tod von Lady Di erfährt und dann fällt ihr die Kugel runter, dann denkt man, natürlich ist sie Lady Di-Fan, natürlich ist sie jetzt bewegt. Ich finde es großartig gelöst, dass sie dann ganz schnell den Fernseher ausmacht und dann den Bullen entdeckt hat und überhaupt kein Interesse mehr am Schicksal von Lady Di hat. Ich finde deine Interpretation spannend, vor allem, weil es mir die Möglichkeit gibt, noch eine andere Interpretation reinzuwerfen. Könnte es sein, dass Amélie Poulin eine Metapher auf Paris ist, weil sie ist im Zentrum, aber sie hat nicht so richtig den Kontakt zu den Leuten. Sie beeinflusst ihr Leben, ohne dass die Leute es richtig mitkriegen. Und Frankreich ist ja auch sehr krass. Wir haben dieses Zentrale in Frankreich, dass alles Richtung Paris läuft. Und das ist noch... Krasser als in Deutschland, so ein extremer Konflikt, gibt Interessenskonflikt zwischen den Menschen auf dem Land und den Menschen in der Stadt. Und die sagen, die Stadt Paris, das ist nicht Frankreich, das ist irgendwie was anderes. Und dass Paris auch so ähnlich wie Amelie irgendwie in der Mitte ist, im Zentrum, das Leben der Menschen natürlich bewegt und trotzdem irgendwie ein Außenseiter ist in Frankreich. Wir müssen das nicht weiter ausführen.
Johannes Franke: Ja, interessant. Ja, da habe ich noch nie drüber nachgedacht. Findest du es problematisch, dass wir ein sehr heteronormatives Leben haben? Wenn die Pärchen gezeigt werden, die gerade alle einen Orgosmus haben, sind es alles Hetero-Pärchen, weiß. Es gibt null Diversity in diesem Film leider. Lysia? Lysia, ja gut.
Florian Bayer: Yay! Ja, ich finde es nicht so problematisch. Ja, es ist halt 2001 und ja, natürlich geht das alles ein bisschen besser, aber es ist okay. Es stört mich überhaupt nicht.
Johannes Franke: Ja, aber ich hätte den Film vielleicht doch nochmal... gut getan, das Ganze ein bisschen weiter zu fassen.
Florian Bayer: Ist diese Frau, die Amelie den Tee anbietet, als sie Brüder Tore hinterher telefoniert, das soll ja offensichtlich Ja,
Johannes Franke: ja, ist eine lesbische Freundin, eine lesbische Frau und sie wird als Gag benutzt.
Florian Bayer: Sie wird als Gag benutzt, ja.
Johannes Franke: Das ist das Problem.
Florian Bayer: Sie ist auch direkt scharf auf Amelie. Ja. Wie attraktiv ist Amelie?
Johannes Franke: Da fragst du was?
Florian Bayer: Dass die nur attraktiv ist, haben wir ja schon festgestellt, offensichtlich. Zumindest in deiner Einleitung ist das durchgekommen. Wie attraktiv ist Amelie?
Johannes Franke: Amelie ist ist Ja, durchaus sehr attraktiv. Spielt das eine Rolle? Nö. Wofür? Ja, ja, ja, ist sie.
Florian Bayer: Ich find's ganz spannend, weil ich find Audrey Tautou ist sehr attraktiv. Und Amelie ist natürlich so ein bisschen sehr handsexualisiert, dadurch, dass sie einfach so diese Märchenfigur ist.
Johannes Franke: Wobei Sex so viel eine Rolle spielt.
Florian Bayer: Und trotzdem spielt Sex eine große Rolle und am Schluss hat sie auch mit Nino Sex. Und zwar, wie du schon gesagt hast, Liebe auf den ersten Blick dreimal gesehen und dann gibt's ganz viele Küsse und natürlich landen sie zusammen im Bett. Aber Amelie hat einfach durch ihre unschuldige, mädchenhafte Art, ist das so ein bisschen rausgenommen, diese Attraktivität. Und ich frage deswegen, weil wir sind natürlich Anfang der 2000er, Ende der 90er. Sprich, wenn du irgendwelche starken Frauenrollen hast, dann hast du starke Frauenrollen, die vor allem attraktiv sind. Das ist Lara Croft. Wir sind in der Zeit von Lara Croft. Du hast eine tolle Abenteurerin, die die Gräber ausnimmt und so weiter. Und dann hat sie aber riesige Brüste und es gibt natürlich ein Mod für das PC-Spiel, das sie... Dass man sie nackt machen kann. Okay,
Johannes Franke: wenn du das so sagst, kann ich mir natürlich vorstellen, dass dieser Film es ein bisschen darauf anlegt, Manic Pixie Dream Girl zu sein für den Zuschauer. Nicht innerhalb der Geschichte, aber für den Zuschauer. Für den männlichen Zuschauer.
Florian Bayer: Es ist auch ein bisschen, auf jeden Fall. Aber sie wird ja tatsächlich überhaupt nicht sexualisiert. Es gibt ja eigentlich nichts, was irgendwie darauf hinweist. Aber ja, Manic Pixie Dream Girl ist natürlich auch die Zeit. Das ist auch in der Zeit. Ja,
Johannes Franke: na klar.
Florian Bayer: Das war die Zeit der großen Indie-Komödien, wo Frauen... Männern das Leben schöner machen. Und sie hilft sehr vielen Männern.
Johannes Franke: Sie hilft auch wirklich sehr vielen Männern, muss man schon sagen. Und wenn sie nicht einem Mann hilft, dann hilft sie einer Frau, einen Mann kennenzulernen.
Florian Bayer: Weil eine Frau braucht einen Mann. Ja,
Johannes Franke: genau. Also das sind schon so Sachen, wo man denkt, ah,
Florian Bayer: okay. Wollte vielleicht nicht so sein.
Johannes Franke: Ja. Ich finde es immer schön, wenn Jean-Pierre Jeunet diese Ausschnitte im Fernsehen zeigt. Das hatten wir vorhin schon mit dem Pferd in der Tour de France und so. Und dann gibt es noch diese ganz, ganz tolle, eine der großen Highlights dieses Films, Stelle, wo sie sich selbst betrauert. Im Fernsehen eine Dokumentation darüber sieht, wie sie als Mutter Teresa, ach die Arme, sie konnte allen anderen helfen, aber sich selbst nicht. Ich finde das so geil, wie sie sich da im Selbstmitleid suhlt.
Florian Bayer: Und es wird auch voll sarkastisch erzählt. Weil sie sieht sich so, als die die Füße des Malers wäscht. Ja, genau. Sie wird dann gezeigt, wie sie... Nee, nee, den Maler bringt sie auf die Berge. Ah ja, stimmt. Und sie wäscht die Füße von dem Blinden. Sie baut quasi die Figuren aus ihrem Leben da rein. Entschuldigung, ganz kurz. Ich hab so auf dem Herzen Leute recherchiert zu Mutter Teresa. Es zieht euch die Schuhe aus. Diese Frau war ein Monster. Ja. Ich lass das mal so stehen. Ich musste gerade dran denken und ich kann es nicht unkommentiert lassen. Mutter Teresa war ein Monster.
Johannes Franke: Okay. Andere Episode.
Florian Bayer: Ja, es ist toll, wie sie ihm Selbstmitleid zutut und wie der Film sich auch auf eine spezifische Art und Weise drüber lustig macht.
Johannes Franke: Und das Tolle ist, dass Jean-Pierre Jeunet Ausschnitte aus einer tatsächlich einer Beerdigung genommen hat, einer berühmten Schauspielerin der Stummfilmzeit oder der Ära damals, der Schwarz-Weiß-Film-Ära. Ja,
Florian Bayer: großartig.
Johannes Franke: Und das ist wirklich eine Beerdigung von dieser Frau, die alle geliebt haben. Und dieses Footage benutzt er.
Florian Bayer: Ja. Und nachher lässt er noch Kommunisten sagen, dass jeder ein Recht auf ein gescheitertes Leben hat.
Johannes Franke: Das ist das nächste Großartige. Oh mein Gott, wie ist das geil. Und ich fühle mich so selber auf die Füße getreten, weil ich das natürlich mit Anfang 20 auch hatte. So dieses, dieser Weltschmerz und dieses, warum versteht mich keiner? Und ich will doch eigentlich allen nur helfen. Und was dieses, oh mein Gott, ist das geil. Der trifft mich an so vielen Stellen, dieser Film.
Florian Bayer: Wie Franzosen nennen es, Inouye. Inouye? Ja, die Lustlosigkeit. Die Lustlosigkeit. Der Weltschmerz kombiniert mit Melancholie und mit komplettem Überdruss am Leben und einfach nur vorm Fernseher sitzen und eisend sich reinstopfen und das Leben ist vorbei.
Johannes Franke: Das kenne ich sehr gut.
Florian Bayer: Wollen wir in unsere Top-Liste?
Johannes Franke: Ja, lass uns einfach mal rüberrutschen in unsere Top 3. Unsere Top 3. Was haben wir denn für eine Top 3?
Florian Bayer: Das Rüberrutschen hätte viel besser funktioniert, wenn wir das vor 20 Minuten gemacht hätten. Wir reden nämlich über Farbkonzepte. Top 3 Farbkonzepte hast du dir gewünscht, was total auf der Hand liegt für Arme.
Johannes Franke: Natürlich, absolut. Und ich habe hier ein paar Filme, die ich noch nicht sortiert habe. Aber du darfst ja anfangen.
Florian Bayer: Ich muss ja anfangen. Ich würde tatsächlich mit dem ältesten Film meiner Liste anfangen. Und zwar Suspiria von Dario Argento. Rot. Und Dario Argento grundsätzlich sehr viel rot und ich muss dir auch irgendwann mal einen Giallo-Film geben. Die großen italienischen Horrorfilme. Suspiria gehört tendenziell nicht zu den rototypischen Giallos und ist wahrscheinlich deswegen der beliebteste Giallo, obwohl er wenig Giallo ist. Macht das Sinn? Ja, bestimmt irgendwie. Aber es ist ein Film, der ganz toll diese Farbkonzepte von schwarz trifft rot und trifft grelle Farben und alles wirkt so drüber einfängt. Großartige Farbkonzept, viele Farben, Geisterbahn.
Johannes Franke: Viele Farben, also alle Farben im Grunde. Ja,
Florian Bayer: vor allem lila und rot und Hexen, Kruse.
Johannes Franke: Ich hätte Grün anzubieten, Matrix. Das war der erste Film, wo mir das sehr stark aufgefallen ist und wo ich tatsächlich gedacht habe, okay, es gibt ein Konzept, man kann so ein Konzept durchziehen und das macht irgendwie was. Ich fand den Film damals total gut. Vielleicht müssten wir ihn mal zusammen sehen, um mal rauszufinden, wie gut das jetzt noch ist. Aber die Wachowski-Geschwister haben da wirklich tolle Sachen. gemacht. Ich finde, die haben auch weiterhin ganz tolle Sachen gemacht.
Florian Bayer: Ja, damals war es halt auch noch nicht ausgelutscht. Wenn ich jetzt so an Matrix-Konzept denke, dann denke ich daran, dass man das dann irgendwann zu oft gesehen hat. Das ist halt so dieser spezifische Science-Fiction-Look, der dann irgendwann so... überreizt war.
Johannes Franke: Wobei Science-Fiction ja eher blau geworden ist.
Florian Bayer: Ja genau, dann ist aber auch so dieses düstere und dieses farblose so ein bisschen. Ach ja, schade. Weil es im ersten Teil ist auf jeden Fall, haben die Wachowski sich wirklich coole Gedanken gemacht und haben einen sehr coolen Look gefunden, der dann ja auch nicht zu Unrecht sehr oft viel kopiert wurde und alle wollten Matrix sein.
Johannes Franke: Also es ist sozusagen Matrix nicht anzulassen, dass alle anderen dann angefangen haben, uns das madig zu machen, indem sie es übertrieben haben.
Florian Bayer: Mein Platz 2 ist der jüngste Film in meiner Liste und den habe ich auch schon mal genannt. The Wild Boys aus dem Jahr 2017 von Bertrand Mandigot. Viel schwarz-weiß und dann sind die Jungs auf dieser Insel, wo sie auch zu Mädchen werden. Und dann ist es eine Farbexplosion, vor allem Violetttöne und Farbe, die auch sehr künstlich wirkt und sehr theatralisch und die dem Ganzen so einen sehr fantastischen Look gibt.
Johannes Franke: Ich würde einen Honorable Mention dazwischen hauen. Ja, bitte. Wizard of Oz.
Florian Bayer: Oh, ja, ja.
Johannes Franke: Dieses Konzept, erst schwarz-weiß, beziehungsweise Sepia, und dann rüber in die Farbe. Wenn ihr irgendwann mal eine Chance habt, wir haben, glaube ich, darüber gesprochen, oder? Wir haben doch über Wizard of Oz gesprochen.
Florian Bayer: Ja, es gibt von uns eine Episode, wo wir über Wizard of Oz reden.
Johannes Franke: Und es ist ganz toll, dieser Übergang, den sie geschaffen haben, von schwarz-weiß in die Farbe, weil das damals natürlich nicht mit Computer oder sowas, da konnten sie kein Power-Window hier, da machst du Farbe, den Rest machst du schwarz-weiß. Es gibt... Die Tür geht auf und hinter der Tür ist plötzlich Farbe. Und das hinzukriegen, die haben das Set schwarz-weiß gemacht.
Florian Bayer: So geil.
Johannes Franke: Also schwarz-weiß angemalt, damit dahinter dann Farbe sein kann.
Florian Bayer: Großartig, was für eine tolle Idee.
Johannes Franke: Wundervoll. Das war aber nur eine honorable Mention. Ich habe auf meinem Platz 2 eine Abwesenheit von Farbe, aber nicht gänzlich. Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben.
Florian Bayer: Entsättigt.
Johannes Franke: Super entsättigt, alles blass und da ist kein Leben mehr drin. Und ich finde, das nicht schwarz-weiß zu machen, sondern so entsättigt, macht noch mehr deutlich, wie wenig Leben da drin ist. Es ist super geil. Ich finde das Konzept richtig gut.
Florian Bayer: Es ist so sehr nah dran am tristen TV-Film-Look, wo jemand sich keine Gedanken über Farbkorrektur gemacht hat, aber es ist genug Gedanke dahinter, dass du siehst und denkst, wow, krass.
Johannes Franke: Der hat das genau überlegt und der hat ja auch alle Sets gebaut. Das ist nichts am Original-Blitzschauplatz gedreht, sondern alles, alles ist gebaut. Obwohl du einen Strand hast und im Hintergrund ist die Stadt zu sehen, alles gebaut und jede Farbe ist genau ausgesucht.
Florian Bayer: Ich bin jetzt auch bei NZ-Ticht und bei Schwarz-Weiß. Mein Platz 1 ist Sin City aus dem Jahr 2005. Robert Rodriguez macht einen Film im Comic-Look und findet dabei sehr gezielte Schwarz-Weiß-Töne, die wirklich mehr Schwarz-Weiß sind als Graustufen. und setzt sehr pointiert einzelne Farben rein für Blut, für Licht, für abgefeuerte Pistolen und schafft dadurch eine sehr einzigartige Atmosphäre, die wirklich sehr pointiert Highlights setzt.
Johannes Franke: Die dann aber von Fotografen totgeschossen würde. Genau,
Florian Bayer: man kann es ihm, genau wie bei Matrix, man kann es ihm nicht vorwerfen, dass er von sehr vielen Leuten kopiert wurde, die es nicht hingekriegt haben. Ja,
Johannes Franke: ja. Ich habe auf Platz 1 dreimal das zu raten. Wes Anderson.
Florian Bayer: Natürlich Wes Anderson. Ja, Wes Anderson macht geile Farben. Ich bin kein großer Wes Anderson Fan, aber Wes Anderson macht geile Farben.
Johannes Franke: Dieses Pastellige ist einfach der absolute Hammer.
Florian Bayer: Und hast du einen spezifischen Film oder einfach Wes Anderson?
Johannes Franke: Nein, es ist Wes Anderson. Einfach nur Wes Anderson.
Florian Bayer: Wes Anderson, der Film. Das ist ein großes Problem von Wes Anderson.
Johannes Franke: Dass man einfach sagt, alles von Wes Anderson?
Florian Bayer: Ja, wo sie ins Unterseehotel durch Westindien fahren, weil sie irgendeine Publikation rausbringen müssen. Es zerfließt alles. Es ist alles so ein... Es ist Wes Anderson.
Johannes Franke: Aber ich liebe es. Ich kann mir jeden Tag drei Stunden lang Wes Anderson anschauen. Das kriege ich hin und das möchte ich auch.
Florian Bayer: Beim Schlafen. Ja, schön. Coole Listenidee und schöne Liste.
Johannes Franke: Sehr schön. Dann gehen wir zurück in den Film. Das war unsere...
Florian Bayer: ähm...
Johannes Franke: Top! drei. So, Amelie, was hat Amelie uns noch zu bieten? Haben wir noch irgendwas zu sagen oder wollen wir einen Deckel drauf machen und sagen, Amelie ist einfach großartig und das war's.
Florian Bayer: Bevor wir es abfeiern, einmal kurz referiert, wie der Film abgefeiert wurde.
Johannes Franke: Wir haben nicht immer über die Musik geredet.
Florian Bayer: Das machen wir gleich. Bevor wir darüber reden, wie er abgefeiert wurde von der Welt, reden wir über die Musik. Bitte, Johannes.
Johannes Franke: Bitte guckt einmal auf Spotify Jan Thiersen mit Y-A-N-N und Und dann Thiersen wie Tier und dann S-E-N hintendran. Ein unglaublicher Musiker. Diese Musik hängt ihm selbst zum Halse raus. Er hat dann nicht viel Positives mit verbunden, leider, weil die Musik, die wurde halt einfach rauf und runter gespielt. Und dieser Film, muss ich sagen, der wurde mal in einer Testvorführung ohne Musik aufgeführt. Die Leute haben den Film nicht verstanden. So wichtig ist die Musik in dem Film. Und die ist wirklich wichtig. Und die ist so... genial gemacht. Aber Jan Thiersen hat mehr als das gemacht. Und Jan Thiersen hat danach so, so, so tolle Alben rausgebracht. Ihr müsst unbedingt anhören, was der alles gemacht hat. Das große Meisterwerk, meiner Meinung nach und Coincidental auch seiner Meinung nach, Dust Lane.
Florian Bayer: Würde ich auch sagen.
Johannes Franke: Es ist wundervoll.
Florian Bayer: Jan Thiersen ist mit der Zeit immer düsterer geworden. Also der hat diese Filmmusik gemacht, er hat nicht nur für Amelie gemacht, sondern auch für einen deutschen Film.
Johannes Franke: Gut bei Lenin.
Florian Bayer: Gut bei Lenin, genau. Und ich kann verstehen, dass sie ihm zum Hals raushängt, weil diese Musik ist so sehr spezifisch assoziiert mit diesem leichten Paris, mit diesem schönen französischen Savo Vivre und so weiter. Jan Thiersen kann so düster sein, Jan Thiersen kann so angespannt sein. Und gerade was du jetzt gesagt hast, Dustlane und Skyline, um die beiden mal zu nennen, für mich sind die Werke, wo er das geschafft hat, in diese Post-Rock-Gefilde zu gehen. Also wenn ihr so was wie Godspeed, Your Black Emperor oder Sigur Rós mögt, dann ist das genau auch das für euch. Also... Lasst euch nicht nur von Amelie täuschen. Ich finde die Amelie-Filmmusik total schön. Passt perfekt zu diesem Film. Aber Jan Thiersen kann noch viel mehr. Und er hat auch ganz tolle Kollaborationen gemacht. Also was ich auch unglaublich gerne mag, ist die Kollaboration mit der amerikanischen Volkssängerin, die ich gerade nicht finde. Shannon Wright. Mit Shannon Wright hat er zusammen ein Album gemacht, Anfang der 2000er Jahre. Und er hat auch mit Ted Red, mit einer ganz tollen französischen Indie-Rock-Pop-Band, hat er zusammengearbeitet. Der kann verdammt viel und sehr... unterschiedliche Sachen, auch sehr spannend, Spiel mit Elektronik, mit Post-Rock, mit Folk und ja, hört ihn euch an.
Johannes Franke: Jan Thiersen sagt dazu, the Amelie Soundtrack was a collection of songs from the earlier albums, also er hat da nicht so viel für extra gemacht, sondern der Regisseur hat sich tatsächlich diese, eine CD irgendwo im Auto mal bei jemandem gehört, wo sie mitgefahren ist und hat dann gesagt, oh ja, den brauch ich, den brauch ich unbedingt. Der wollte eigentlich mit jemandem anders zusammenarbeiten, aber der war nicht available. Und dann hat sie die Musik gehört und gesagt,... um Gottes Willen, das brauche ich unbedingt, das passt volle Kanne auf meinen Film. Und hat dann eben Stücke rausgesucht. Und Jan Thesen sagt dann weiter, Also er ist nicht ganz so zufrieden. Und nun hat er immer wieder Leute auf Konzerten gehabt danach, ich weiß nicht, das hat bestimmt nachgelassen, wo Leute gesagt haben, spiel Amelie! Weißt du, und dann stehst du da und sagst, ich hab hier ein geiles neues Album. Und ihr wollt die ganze Zeit nur am... Was ist das denn? Und er sagt, it does get boring, maybe it's rude, but I don't want them at my gig.
Florian Bayer: Ja, und ich kann es so gut verstehen, vor allem, weil er ist nicht mal so ein Popstar. Es ist ja nicht so ein Song, den man mitsingt und so weiter.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Sondern es ist wirklich, er macht ja ganz andere Musik, die getragen ist, die länger ist, Großsymphonien und so weiter. Und dann dieses Rufen nach einem Popsong, der selbst auch kein Popsong ist, ist total schräg.
Johannes Franke: Mein erstes Album, was ich von ihm gekauft habe, L'Absent oder wie das ausgesprochen wird, keine Ahnung, das ist so, so großartig. Ich erinnere mich immer wieder, ich weiß nicht, wie es dir geht, aber wenn du Musik hörst, die du schon seit 20 Jahren kennst oder so, vom Gefühl her, dann erinnert man sich doch sofort an die ersten Tage mit dieser Musik, oder? Das ist geil. Man verbindet das mit einem Moment, so eine Momentaufnahme in seinem Leben und dieses Album L'Absent ist so, so typisch für eine bestimmte Zeit. in meinem Leben und ich erinnere mich so wahnsinnig gern daran.
Florian Bayer: Aus dem Jahr 2001, das war quasi parallel mit Amelie. Und der Soundtrack von Amelie hat ihn ja tatsächlich auch berühmt gemacht. Der hat vorher schon Sachen gemacht in den 90ern, aber dadurch wurde er richtig berühmt und hatte dann auch einige sehr erfolgreiche Alben rausgebracht. Le Retrouvée ist, glaube ich, neben Amelie sein berühmtestes Album. Es ist auch großartig. Das er auch sehr schön performt hat. Ich mag tatsächlich, und du anscheinend ja auch, die späteren Sachen ein bisschen mehr. Ich mag von Jan Thiersen Mehr die düsteren Seiten, Gott sei Dank hat er die bei Amelie nicht rausgelassen.
Johannes Franke: Ja, aber es lohnt sich einfach. So, jetzt haben wir genug geschwärmt. Jan Thiersen, hört euch einfach an.
Florian Bayer: Gucken wir noch einmal drauf, wie die Welt von Amelie schwärmt. Der Film hat 10 Millionen gekostet, 10 Millionen Dollar, Box Office 174,4 Millionen Dollar.
Johannes Franke: Wahnsinn.
Florian Bayer: Es ist der am besten laufende französischsprachige Film in Nordamerika aller Zeiten. Bis zum heutigen Tag. Und es war in dem Jahr natürlich der Top-Film in Frankreich und hat auch diverse Preise gewonnen, vor allem für Schnitt, Farbgestaltung und so weiter, war auch für alles Mögliche nominiert. Hat bei den Oscars aber dann nicht abgeräumt, genau. Und zwar 2002 war nominiert als bester Fremdsprachiger-Film, hat gegen Normandsland aus Bosnien-Herzegowina verloren. Bestes Original-Drehbuch verloren gegen Gosford Park. Beste Art Direction verloren gegen Moulin Rouge. Oh nein! Und es ist auch ein... tragisch, dass er dagegen angetreten ist, weil Moulin Rouge hat einfach, ich bin nicht der größte Fan von diesem Film, aber der Film hat echt gut, also der performt, was das betrifft. Beste Kamera, jetzt kommt's, halt dich fest, verloren gegen Herr der Ringe. Bester Sound, bester Sound, bester Sound, halt dich fest, verloren gegen Black Hawk Fucking Down. Es ist eine Schande, die Oscars. Die Oscars Anfang der 2000er Jahre kannst du in die Tonne kloppen. Das ist viel besser geworden. Die letzten Jahre waren Oscars durchaus cool. Aber in der Zeit, what the fuck.
Johannes Franke: Es tut mir so leid. Wollen wir zu unserem Urteil kommen?
Florian Bayer: Jetzt kommen wir zu unserem Urteil.
Johannes Franke: Okay. Das Urteil. Ich finde, es gibt da draußen zu viele Filmemacher, die meinen, dass man als ernstzunehmender Filmemacher... nur schwere Themen behandeln muss. Das Drama wird oft, und das ist halt auch so, wenn man sich die ganzen Preise anschaut, die vergeben werden, es wird an die Dramen, die schwere und pessimistische Botschaften haben, die werden viel ernster genommen als die light-hearted Sachen, die nicht im geringsten Weniger Tiefe haben. Man darf diesen Film nicht missverstehen als oberflächlich. Es ist nicht so. Aber irgendwie haben wir uns als Gesellschaft darauf geeinigt, dass wir die... die eher von der pessimistischeren Seite und damit anscheinend realistischeren Seite gesehenen Filme, dass die irgendwie mehr wert sind. Ich finde es zum Kotzen. Ich liebe diesen Film dafür, dass er so ist, wie er ist und dass er einmal sagt, es gibt diese Seite von der Menschheit und bitte kümmert euch drum. Und der Erfolg gibt ihm Recht. Das Publikum will das sehen, aber es füllt auch nicht.
Florian Bayer: Wobei das füllt auch diesen Film ja auch sehr gefeiert.
Johannes Franke: Ja, okay.
Florian Bayer: Aber nein, ich bin ganz bei dir. Ich will auch gar nichts mehr hinzufügen. Das waren so schöne Worte. Ein absolut zauberhaftes, großartiges Märchen. Unbedingt ein Muss-man-sehen-Film.
Johannes Franke: Schön. Ach, Flo, ich freue mich. Und ich freue mich. Vielen Dank, dass du ihn gesehen hast.
Florian Bayer: Ja, danke, dass du ihn mir wiedergegeben hast, weil es war wirklich ein tolles Wiedersehen nach zehn Jahren oder so.
Johannes Franke: Na dann, wir werden nächste Woche einen anderen Film besprechen. Wir ruhen uns jetzt eine Woche lang aus. Und was wir dann besprechen, das hört ihr nach dem Jingle, den wir nochmal einspielen. Und dann unterhalten wir uns darüber, was es als Hausaufgabe gibt.
Florian Bayer: Bis dann, ciao. Bis dahin,
Johannes Franke: ciao.
Florian Bayer: Ja, wir bleiben in der Zeit, ne? Anfang der 2000er und ich glaube, du kennst den Film auch. Okay. Wir haben den sogar zusammen geguckt. Wir hatten noch keinen dänischen Film.
Johannes Franke: Dänischen Film?
Florian Bayer: Ich würde gerne mit dir ein, meiner Meinung nach etwas vergessen, in Vergessenheit geratenes Meisterwerk aus dem Jahr 2005 gucken. Adams Äpfel von Anders Thomas Jensen.
Johannes Franke: Ja, sag mir irgendwas. Hab ich den gesehen? Haben wir den gesehen zusammen? Vielleicht.
Florian Bayer: Eine richtig böse, schwarze Tragikomödie.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Sehr sehenswert.
Johannes Franke: Ich bin gespannt. Adams Äpfel. Na dann, schaut euch den Film an, wir schauen uns den auch an und dann sprechen wir nächste Woche darüber. Bis dann, ciao. Bis dann.
